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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht im Anschluss an eine Kabinettssitzung bei einer Pressekonferenz.

© dpa

Pressefreiheit in der Türkei: „Warum berichtet ihr nicht?“

Präsident Erdogan hat die Medien in der Türkei fest im Griff. Aber wie funktioniert das konkret, wie werden die Redaktionen überwacht und gesteuert?

Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Medien in der Türkei fest im Griff, das hat sich herumgesprochen. Aber wie funktioniert diese Kontrolle konkret, wie werden die Redaktionen überwacht und gesteuert?

Als Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak im November als Finanzminister zurücktrat, dauerte es mehr als 24 Stunden, bis die regierungstreuen Medien darüber berichteten – Ankara verpasste ihnen einen Maulkorb, bis ein Nachfolger gefunden war. Im Internetsender Medyascope berichtet der erfahrene Journalist Rusen Cakir: „Uns haben Kollegen angerufen, die für die staatlich kontrollierten Medien arbeiten, und gesagt: Die Nachricht stimmt, berichtet das! Wir haben gefragt: Warum berichtet ihr nicht selbst? Die Antwort: Ihr wisst doch, wie das bei uns ist.“

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Cakir gründete Medyascope vor vier Jahren, weil wahrer Journalismus in den klassischen Medien nicht mehr möglich sei. „Wenn etwas passiert, ergeht ein Befehl an die Chefetagen der Medien, wie darüber zu berichten ist: Für dieses Ereignis werden Staatsfeinde verantwortlich gemacht, über jenes Ereignis wird so und so berichtet, über dieses Ereignis überhaupt nicht. Und entsprechend berichten die Medien dann.“

Denn selbst recherchieren können Journalisten in der Türkei heute kaum noch, sagt Sirin Payzin, langjährige Starjournalistin bei CNNTürk. Kein Beamter oder Diplomat spreche heute noch mit Journalisten, erzählt sie in einem Podcast. „Sie haben alle Angst und fürchten, dass ihre Telefone abgehört werden.“ Auch ausländische Quellen seien nicht mehr nutzbar. „Wenn man als Journalist heute mit einem Botschafter spricht, wird man am nächsten Tag öffentlich als deutscher Agent denunziert.“

Die Journalisten tragen eine Teilschuld

Payzin moderierte für CNN-Türk früher Polit-Talkshows. Vor zwei Jahren gab sie frustriert auf. Vor lauter Bildschirmverboten habe es am Ende nur noch fünf oder sechs Leute gegeben, die sie in ihre Show einladen durfte; alle anderen Interviewpartner standen auf Verbotslisten des Senders.

„Wir bekamen diese Listen aus der Chefetage von CNN-Türk, aber irgendwann haben wir gemerkt, dass sie aus unserem Studio in Ankara kamen“, sagt sie. „Da haben bestimmte Kollegen die Inhalte unserer Sendungen in den Präsidentenpalast getragen – und dann sind sie zum Besitzer von CNN-Türk gegangen und haben gesagt, also dies gefällt dem Präsidenten nicht, das soll nicht gesagt werden.“

Die Schuld an der Lage der Medien liege deshalb auch bei den Journalisten, die die Pressefreiheit nicht entschieden genug verteidigt hätten, sagt Payzin. „Und darüber müssen wir auch reden.“

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