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Hun Sen stammt aus einer Landarbeiter-Familie und wurde von Mönchen erzogen.

© Samrang Pring/Reuters

Premier wird an der Macht bleiben: Hun Sen lässt Kambodscha keine Wahl

Seit 33 Jahren ist Hun Sen Kambodschas Ministerpräsident - und daran wird auch die Wahl am heutigen Sonntag nichts ändern. Denn: Es gibt de facto keine Opposition.

Seit der letzten Wahl vor fünf Jahren hat sich Kambodscha in rasantem Tempo in Richtung eines Ein-Parteien- Systems entwickelt. Damals gewann die Opposition in Form der Nationalen Rettungspartei (CNRP) 45 Prozent der Stimmen. Das will Hun Sen von der CPP, der seit 33 Jahren in dem südostasiatischen Staat mit seinen 16 Millionen Einwohnern Premierminister ist, nicht mehr zulassen.

Im Juli 2016 wurde der bekannte Regierungskritiker Kem Ley in der Hauptstadt Phnom Penh erschossen. Zehntausende begleiteten seinen Sarg durch die Straßen der Stadt. Offiziell wurde der Täter gefunden; wer Hun Sen offen verdächtigt, hinter der Tat zu stecken, landet wegen Verleumdung im Gefängnis, sagen politische Beobachter.

Oberstes Gericht löste die größte Oppositionspartei auf

Im Februar 2017 trat Sam Rainsy, Vorsitzender der CNRP und seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Symbolfigur der Opposition, zurück, um die Auflösung seiner Partei zu verhindern. Ein neues Gesetz verbietet es Verurteilten, Parteien zu führen. Rainsy war 2015 vor einem drohenden Prozess ins Exil geflohen. Sein Nachfolger, Kem Sokha, wurde nur sechs Monate später, im September 2017, verhaftet. Die Anklage: Er habe sich mit den USA verbündet und wolle die Regierung stürzen. Am Tag nach seiner Verhaftung musste die „Cambodia Daily“ ihre Produktion einstellen. Die regierungskritische Zeitung konnte ihre angeblichen Steuerschulden in Millionenhöhe nicht zahlen.

Im selben Monat hörte das von dem US-Kongress finanzierte „Radio Free Asia“ auf zu senden. Kurze Zeit später wurden zwei Journalisten des Senders inhaftiert. Ihnen wird vorgeworfen, für die USA spioniert zu haben. Dutzende andere Medien und NGOs sahen sich in den vergangenen zwei Jahren gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben oder mussten ihre Unabhängigkeit einschränken.

Im November fand die Kontrollpolitik Hun Sens ihren Höhepunkt: Das oberste Gericht des Landes löste die CNRP auf. Die Partei habe versucht, die Regierung zu stürzen. 118 Mitglieder dürfen fünf Jahre lang nicht als Politiker arbeiten. „Hun Sen hat über die Jahre eine Opposition ausgeschaltet, die ihm lediglich als eine von der internationalen Gemeinschaft aufgezwungener Akteur erscheint“, sagt Daniel Bultmann vom Institut für Afrika- und Asienwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

Er schloss sich den Roten Khmer an

Als Hun Sen 1985 an die Macht kam, war er 32 Jahre alt und somit der jüngste Premier der Welt. Er stammt aus einer Landarbeiter Familie, wurde von Mönchen erzogen bis er sich den Roten Khmer anschloss, die zwischen 1975 und 1979 fast ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung auslöschten. Hun Sen lief schon zwei Jahre vor Kriegsende zu den Vietnamesen über, und wurde später von der Besatzungsmacht als Außenminister eingesetzt. Auch als die UN die Kontrolle über den Staat übernahm, und 1993 die ersten Wahlen stattfanden, schaffte es Hun Sen, unter anderem durch einen blutigen Staatsstreich, an der Macht zu bleiben.

Bei dieser Wahl, erklärt Bultmann, stehe Hun Sen vor neuen Herausforderungen. „Eine extrem junge und höher gebildete Bevölkerung und gestiegene Ansprüche angesichts des Wirtschaftswachstums üben immensen Druck auf die alten Kader der Partei aus.“ Hun Sen verspreche der Bevölkerung jetzt mehr Beteiligung an dem Wachstum. Außerdem spricht er gezielt die jungen Wähler an: er fährt Kampagnen auf Facebook. Eine Taktik, die er sich von der CNRP abgeschaut hat. An Textilarbeiterinnen verschenkte er bei einer Wahlkampfveranstaltung Bargeld.

Wer nicht wählen geht, muss mit Repressionen rechnen

Rainsy und andere ehemalige CNRP Mitglieder haben zum Boykott der Wahl aufgerufen. Da ein Finger nach der Stimmabgabe in violette Farbe getaucht wird, was Wahlbetrug verhindern soll, sind Nichtwähler aber leicht identifizierbar und müssen mit Repressionen rechnen. Wie viele der 16 Millionen Kambodschaner wirklich hinter dem Premier stehen, ließe sich schwer schätzen, so Bultmann. Die Notwendigkeit der Drohungen ließe aber darauf schließen, dass er sich nicht auf eine breite Unterstützung verlassen könne.

Die EU und die USA haben sich entschieden, ihre finanzielle Unterstützung für die Wahl auszusetzen, da sie nach dem Verbot der CNRP nicht mehr legitim sei. Zwar stehen 20 Parteien auf dem Stimmzettel, 19 davon sind jedoch entweder unbekannt oder de facto Teil der CPP.

Hun Sen kann voll auf China vertrauen

Hun Sen schien von den Maßnahmen wenig beeindruckt - Chinas Unterstützung hat er sicher. Die Volksrepublik gibt nicht nur Gelder für die Wahl, sondern auch die größten Summen in der Entwicklungshilfe. Alles, ohne politische Reformen zu fordern und teils ohne Vorzugeben, wohin das Geld fließen soll. Auch mit Trump persönlich scheint Hun Sen sich zu verstehen: „Ich weiß nicht, ob ich wie Sie bin oder Sie wie ich“, sagte er 2017 bei einem Gipfeltreffen. Der 65-Jährige ist siegessicher: Er werde das Land noch mindestens zehn Jahre weiter regieren. Beobachter vermuten, er plane eines seiner Kinder als Nachfolger zu installieren. Sein ältester Sohn Hun Manet hält einen ranghohen Posten in der Armee inne.

Rebecca Stegmann

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