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Die Al-Khalil-Moschee ist das größte muslimische Gotteshaus in Brüssel.

© imago/Reporters

„Predigten, die zu Hass aufstacheln“: Belgien weist umstrittenen Imam aus

Einer der bekanntesten muslimischen Prediger darf nicht mehr einreisen. Belgien wirft ihm vor, eine Gefahr für die nationale Sicherheit zu sein.

Nach dem Freitagsgebet stehen die Gläubigen noch in Grüppchen vor der Al-Khalil-Moschee zusammen. Klatsch und Tratsch werden ausgetauscht, doch immer wieder fällt auch ein Name: Mohamed Toujgani. Vier Jahrzehnte war der Mann Imam im größten islamischen Gotteshaus von Brüssel, über 3000 Menschen versammeln sich dort regelmäßig zum Gebet.

Doch nun wurde der Prediger aus Belgien ausgewiesen, er stelle eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar, heißt es vonseiten der Behörden.

„Diese Beschuldigungen sind völliger Unsinn“, sagt ein Mann vor der Moschee. Der Imam habe immer den Frieden gepredigt. Andere Gläubige bestätigen diese Aussage, manche müssen ihre Antworten übersetzen lassen, sie sprechen nur Arabisch. Einig sind sich alle darin, dass die Ausweisung Mohamed Toujgani ein gezielter Angriff auf die Gemeinschaft der 400.000 Muslime in Belgien sei.

Belgische Behörden in Sorge

Welche neuen Erkenntnisse es inzwischen gegen den Imam gibt, ist nicht ganz klar. Ein Video macht die Runde, in dem der Prediger fordert, dass die „zionistischen Unterdrücker verbrennen“ müssten. Der Clip stammt allerdings aus dem Jahr 2009, jenem Jahr, als das israelische Militär eine blutige Offensive im Gazastreifen durchführte.

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Erinnert wird auch daran, dass Chakib Akrouh, einer der Attentäter vom 13. November in Paris, in die Al-Khalil-Moschee zum Beten kam. Seit den Anschlägen ist der Brüsseler Stadtteil Molenbeek, aus dem mehrere Täter stammten und in dem auch das Gotteshaus liegt, als „Terror-Hauptstadt“ verschrien. Dort leben knapp 100.000 Menschen und er gilt als Synonym für die gescheiterte Integration der Muslime.

Sorge bereitet den belgischen Behörden offensichtlich, dass sich die Gläubigen den Lebensstil ihres Imams zum Vorbild nehmen könnten. Obwohl Mohamed Toujgani seit 40 Jahren in Belgien lebt, spricht er weder Französisch noch Niederländisch. Er hat mehrere Frauen. Der Imam ist die Inkarnation einer sehr konservativen, sunnitischen Glaubensrichtung, die er vehement predigt und die jede Integration in die belgische Gesellschaft ablehnt.

Diese Interpretation des Korans wird auch in der an die Moschee angeschlossene Schule gelehrt. 500 Kinder bekommen dort Arabischunterricht, auch eine staatlich anerkannte Grundschule gehört zur Moschee. Finanziert wird der Komplex ausschließlich aus Spenden.

Bedenkliche Corona-Interpretation

Toujgani sei der typische Vertreter der Generation der ersten Imame, die nach Belgien kamen, erklärt Corinne Torrekens, Professorin für Politikwissenschaft und Spezialistin für zeitgenössischen Islam.

Auch sie findet seine Interpretation des Korans überaus bedenklich, kann sich aber nicht vorstellen, dass er die große Gefahr darstelle, die die Behörden in ihm sehen. Sie kritisiert, dass die Behörden keine konkreten Vorwürfe gegen Toujgani vorbringen.

Aufgelistet werden in den Sicherheitsberichten allerdings „zahlreiche Predigten, die zu Hass und Gewalt aufstacheln“ und die „die Verbreitung rassistischer oder diskriminierender Ideen gegen die jüdischen und schiitischen Gemeinschaften“ in Belgien.

Auch in der muslimischen Gemeinde regt sich Widerstand und nicht alle Gläubigen wollen mit dem umstrittenen Iman in einen Topf geworfen werden.

Die Exekutive der Muslime Belgiens betonte ausdrücklich, dass der Entzug der Aufenthaltserlaubnis für Toujgani eine „ausschließlich private Angelegenheit“ sei. Zudem gebe es „keine Autoritätsbeziehung zu den Imamen“ der Al-Khalil-Moschee.

Migrations-Staatssekretär Sammy Mahdi, der für die Ausweisung verantwortlich zeichnet, wurde von vielen Muslimen als Verräter beschimpft und bedroht. Der 33-Jährige, der einen irakischen Vater hat, sah sich gezwungen, in der Zeitung „Le Soir“ einen offenen Brief zu veröffentlichen. „Hätte ich die Berichte der Sicherheitsdienste ignorieren sollen, weil meine Wurzeln bis nach Bagdad reichen?“, fragte Mahdi.

Knut Krohn

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