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Ein Wahllokal in der russischen Hauptstadt Moskau.

© dpa/AP/Alexander Zemlianichenko

Update

Präsidentschaftswahl in Russland: Opposition und NGOs melden hunderte Unregelmäßigkeiten

Putin lässt am Tag der Wahl keinen Zweifel an seiner Überzeugung aufkommen, dass nur er Russlands Geschicke erfolgreich lenken kann. Wahlbeobachter berichten über eine Reihe von Manipulationen.

Das Computernetzwerk der russischen Wahlkommission hat am Tag der Präsidentenwahl bereits Cyberattacken aus 15 Ländern abwehren müssen. Das sagte die Vorsitzende der Wahlleitung, Ella Pamfilowa, am Sonntagmittag in Moskau. Die Server seien mit Massenanfragen (DDoS) überschwemmt worden, um sie zum Absturz zu bringen. „Die Ausgangspunkte der Angriffe lagen in 15 Ländern“, sagte sie der Agentur Tass zufolge. Nicht nur die Website der Wahlkommission, auch russische Medien seien betroffen gewesen.

Bei der Präsidentenwahl steuert Staatschef Wladimir Putin weitere sechs Jahre im Kreml an. Gegen seine geballte Regierungsmacht gelten die sieben anderen Kandidaten als chancenlos. Putin gab sich am Sonntag siegessicher. „Ich bin überzeugt von der Richtigkeit des Programms, das ich dem Land vorschlage“, sagte er der Agentur Interfax zufolge bei der Stimmabgabe in Moskau. Er werde mit jeder Prozentzahl an Stimmen zufrieden sein, „die es erlaubt, die Aufgaben des Präsidenten zu erfüllen“, sagte er.
Überschattet wird die Abstimmung durch den Konflikt mit dem Westen nach dem Giftanschlag auf einen Ex-Agenten in Großbritannien.

Im Fernen Osten Russlands auf der Halbinsel Kamtschatka öffneten die Wahllokale am Sonntagmorgen um 8.00 Uhr Ortszeit. Das größte Land der Welt erstreckt sich über elf Zeitzonen. Wahlberechtigt sind etwa 109 Millionen Menschen. Erste Ergebnisse werden nach Schließung der Wahllokale in der Ostsee-Exklave Kaliningrad am Sonntag um 19.00 Uhr MEZ erwartet. Schon früh zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Bis 17.00 Uhr Moskauer Zeit (15.00 Uhr MEZ) hätten landesweit 51,9 Prozent der Berechtigten abgestimmt, teilte die Wahlleitung mit. „Ich will anmerken, dass dies in den meisten Regionen mehr ist, als es 2012 war“, hatte Vizewahlleiter Nikolai Bulajew schon zuvor gesagt.

Die Wahl findet am vierten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 statt, die Putins Popularität damals gestärkt hatte. Die neue Amtszeit läuft bis 2024. Laut derzeit gültiger Verfassung darf er danach nicht mehr im Amt bleiben. Putin führt Russland seit 18 Jahren. Da es keine Zweifel an seinem Sieg gibt, sehen Experten vor allem die Höhe der Wahlbeteiligung als Indiz für die Stimmung im Land.

Polizei geht gegen Nawalny-Unterstützer vor

Die russische Opposition und Nichtregierungsorganisationen meldeten hunderte Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl. Die auf Wahlbeobachtung spezialisierte NGO Golos meldete bis zum Mittag MEZ mehr als 1800 Unregelmäßigkeiten, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und Behinderung von Wahlbeobachtern. Besonders besorgt zeigte sich Golos über Informationen, wonach Arbeitgeber oder Universitäten ihre Mitarbeiter oder Studenten unter Druck setzten, ihre Stimme nicht an ihrem Wohnort, sondern am Arbeits- oder Studienort abzugeben, "damit ihre Teilnahme an der Wahl kontrolliert werden kann".

Die Bewegung des prominenten Oppositionellen und Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, die nach eigenen Angaben mehr als 33.000 Beobachter in die Wahlbüros entsandt hatte, berichtete ebenfalls über Wahlbetrug. Besonders betroffen waren demnach Moskau und die umliegende Region, St. Petersburg und Baschkirien im Ural. Ein von Nawalny auf seiner Website veröffentlichtes Video zeigte offenbar, wie in einem Wahllokal im fernen Osten Russlands gefälschte Stimmzettel in die Wahlurnen gestopft wurden. Die Polizei war am Samstag massiv gegen Anhänger Nawalnys vorgegangen, der zu einem Boykott aufgerufen hat. Mehrere Aktivisten seien festgenommen worden, schrieb Nawalny auf Twitter.

Nach dem Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal sehen London, Berlin, Paris und Washington die Verantwortung bei Moskau. Russland dementiert jede Schuld. Großbritannien hat 23 Diplomaten ausgewiesen, am Samstag erklärte Moskau 23 britische Vertreter zu unerwünschten Personen. Putin selbst hatte vor der Wahl das Bild von Russland als einer belagerten Festung gezeichnet, die sich gegen Angriffe des Westens wehren müsse. In der Krise sollten sich die Bürger um ihren Präsidenten scharen. (dpa)

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