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Emmanuel Macron gilt als sozialliberal, deutschfreundlich und als echter Europäer.

© Reuters

Präsidentschaftswahl in Frankreich: Herz oder Kopf?

Für viele Linkswähler ist die erste Runde bei der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag eine Qual: Wie sollen sie sich zwischen Macron, Mélenchon und Hamon entscheiden?

In der ersten Runde einer Präsidentschaftswahl stimmen die Franzosen mit dem Herzen ab, in der zweiten mit dem Kopf. So besagt es eine althergebrachte Polit-Weisheit im Nachbarland. Doch diesmal könnte es auch anders laufen. Vor allem Linkswähler könnten schon in der ersten Runde am kommenden Sonntag nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Kopf abstimmen – was auf ein Votum für den Sozialliberalen Emmanuel Macron hinauslaufen würde.

Macron liegt in Umfrage vorn

Die Wahl mit dem Kopf bezeichnen die Franzosen auch als „vote utile“. Dabei geht es um ein taktisches Wahlverhalten im ersten Wahlgang, um eine gewünschte Konstellation für die entscheidende Stichwahl am 7. Mai herbeizuführen. Am wahrscheinlichsten gilt dabei laut Umfragen nach wie vor ein Duell zwischen Macron und der Vorsitzenden des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Harris Interactive kann Macron im ersten Wahlgang mit einem Stimmenanteil von 25 Prozent rechnen und liegt damit vor Le Pen (22 Prozent). Eine Chance auf einen Einzug in die Stichwahl haben der Umfrage zufolge auch der konservative Kandidat François Fillon und der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, die jeweils auf 19 Prozent kommen. Abgeschlagen und ohne Aussicht auf einen Einzug in die Stichwahl liegt der Sozialist Benoît Hamon bei 7,5 Prozent.

Vielen Wählern auf der linken Seite des politischen Spektrums bereitet die Frage Kopfzerbrechen, ob sie in der ersten Runde dem aussichtslosen Hamon oder doch Mélenchon oder Macron ihre Stimme geben sollen. Bereits im vergangenen Monat hatte sich der ehemalige sozialistische Premierminister Manuel Valls dafür ausgesprochen, dem Favoriten Macron im Sinne des „vote utile“ die Stimme zu geben, da sich so am ehesten ein Durchmarsch von Marine Le Pen verhindern lasse. Dass Macron in den Umfragen weiter in Führung liegt, deutet darauf hin, dass sich etliche Linkswähler dieser Überlegung anschließen könnten.

Jeder vierte Wähler ist noch immer unentschlossen

Allerdings sind Vorhersagen für den ersten Wahlgang weiterhin schwierig, weil die Zahl der Unentschlossenen weiterhin hoch ist. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Zeitung „Le Monde“ ist jeder vierte Wähler immer noch unentschlossen, wem er am kommenden Sonntag die Stimme geben soll.

Macrons Handy-Botschaft für sechs Millionen Wähler

Um die bislang noch unentschiedenen Wähler auf die Seite von Macron zu ziehen, greift dessen Team zu einem ungewöhnlichen Schritt: Seit Dienstag landet ein Wahlaufruf des Kandidaten auf den Handy-Mailboxen von sechs Millionen Wählern. Nach den Angaben von Macrons Wahlkampfteam haben die Empfänger der Handy-Nachricht mit einer Länge von 90 Sekunden allerdings auch die Möglichkeit, die Wahlkampfbotschaft des Chefs der Bewegung „En Marche“ („In Bewegung“) von vornherein abzuweisen.

Hamon kritisiert Macron als Erfüllungsgehilfen der "deutschen Rechten"

Unterdessen rief der sozialistische Kandidat Hamon am Mittwoch vor 20.000 Anhängern auf dem Place de la République in Paris dazu auf, nicht aus taktischen Gründen ins Lager von Macron überzuwechseln. Hamon bezeichnete Macron als politischen Wiedergänger des früheren liberalen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, „aufgemotzt von einigen guten Werbeagenturen“. Macron trage das Gütesiegel „der deutschen Rechten: gut für den Sparkurs“, wetterte Hamon. Damit spielte der Sozialist auf das Versprechen des „En Marche“-Kandidaten an, der neben dem Konservativen Fillon als einziger Präsidentschaftsbewerber die Euro-Sparvorgaben des Maastricht-Vertrages einhalten will.

Fillon setzt auf Unterstützung aus der eigenen Partei

Fillon setzt derweil unmittelbar vor dem ersten Wahlgang auf den Schulterschluss mit dem ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Um die Geschlossenheit im Lager der Konservativen zu dokumentieren, lud Sarkozy seinen einstigen Premierminister am Donnerstagmorgen in seine Privatwohnung zum Frühstück ein. Die Geste ist keineswegs banal: Als im Februar wegen dessen Scheinbeschäftigungsaffäre über eine Ablösung des Kandidaten Fillon spekuliert wurde, sicherte der Ex-Präsident dem angeschlagenen Fillon zwar nach außen hin seine Unterstützung zu. Intern hatte es aber auch geheißen, dass sich Sarkozy für eine Bewerbung seines früheren Finanzministers François Baroin stark machen könnte.

An der Seite von Fillon zeigte sich in dieser Woche auch der frühere Premierminister Alain Juppé, der in der parteiinternen Vorwahl der Konservativen im vergangenen Jahr unterlegen war. Fillon und Juppé waren gemeinsam nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden, seit im Januar die ersten Enthüllungen über die „Penelopegate“-Affäre des konservativen Bewerbers bekannt wurden.

Le Pen will am Sonntag auf dem ersten Platz landen

Die Front-National-Chefin Marine Le Pen zeigte sich derweil zuversichtlich, dass sie als Siegerin aus der ersten Runde der Wahl am Sonntag hervorgehen werde. Es gebe eine „unglaubliche Mobilisierung“ bei ihren Anhängern, sagte sie am Donnerstag dem Radiosender „Europe 1“. „Ich kenne meine Wähler ziemlich gut, und ich glaube, sie werden mich am Sonntagabend auf den Spitzenplatz befördern“, erklärte sie.

Zuvor hatte Le Pen vor 5000 Anhängern in Marseille ihre Wähler auf den ersten Wahlgang eingeschworen. Sie trat dabei gemeinsam mit ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen auf, die zum Teil noch radikale Positionen vertritt als sie selbst. In ihrer eigenen Rede versprach die FN-Chefin ihren Anhängern, sie vor einer „wilden Globalisierung“ zu beschützen. Gleichzeitig erneuerte sie ihre Forderung, vorübergehend ein Einwanderungs-Moratorium zu verhängen.

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