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Wahlsieger Vucic am Abend seines Triumphs.

© Reuters

Präsident Vucic ist wiedergewählt: Rückschritt statt Fortschritt in Serbien

Der nationalistische Präsident Serbiens ist wiedergewählt. So stockt die Demokratisierung weiter. Was daraus für Europa folgen muss.

Von Caroline Fetscher

Ach, wäre Serbien doch längst in der Europäischen Union! Dann sähe es anders aus. So seufzen manche nicht nur in Serbien selber. Wünschen hilft da wenig. Serbien hat gewählt, und wie in Ungarn ist der alte Präsident der neue, der nationalistische. Auch Serbiens Parlament bleibt mehrheitlich nationalistisch, der ambivalente Kurs gegenüber Russland dürfte sich ohne erheblichen Brüsseler Druck kaum ändern.

Unter dem Slogan „Frieden. Stabilität. Vucic.“ hat Aleksandar Vucic sein Amt behauptet und ist mit knapp 60 Prozent weit vorn gelandet, bei den Parlamentswahlen gewann seine Serbische Progressive Partei mehr als 40 Prozent der Stimmen. Das Oppositionsbündnis kommt, wie die Sozialisten, auf gerade mal 12 Prozent. Nicht zuletzt ist die grüne Bewegung „Moramo“ („Wir müssen“) enttäuscht über ihr Abschneiden unter fünf Prozent. Dass Serbiens Abfall nur minimal recycelt wird oder Belgrads Abwässer ungefiltert in den Fluss Save rinnen, weckt nur geringes Interesse. Das wirkt sinnbildlich: Auch die politischen Abwässer der Vergangenheit werden, wenn, dann nur zögerlich geklärt.

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Viele in Serbien betrachten Russland als traditionellen Bündnisbruder, nicht nur wegen des orthodoxen Glaubens, sondern etwa auch, da Russland die frühere serbische Republik Kosovo nicht als Staat anerkennt. Noch immer wählen Kosovo-Serben in Serbien mit. Teile der albanischen Minderheit im Süden Serbiens sollen diesmal am Wählen gehindert worden sein, Namen seien aus Registern verschwunden, erklärt das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN).

Lektionen ins Buch der Demokratie

Serbiens Aufbruch in die Demokratie stockt, und Vucics serbische Fortschrittspartei, die 2012 die Sozialdemokraten besiegt hatte, erweist sich derzeit eher als Rückschrittspartei. Mit einem Auge auf die Verheißung „Europäische Union“, auf finanzielle Vorteile und Freizügigkeit, hatte Serbien in der UNO Russlands Angriffskrieg mitverurteilt. Mit dem anderen Auge auf den Kreml will es Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Schulbücher verbreiten weiterhin nationalistische Propaganda, serbischen Separatisten im Nachbarland Bosnien wird kaum Einhalt geboten. Der Reformbedarf ist enorm.

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Enorm groß sind auch die Lektionen, die die Gegenwart ins Buch der Demokratie schreibt. So zeigt sich: Ehemals autoritär regierte Staaten erfordern weitaus entschlossenere Klarheit des Brüsseler Blicks. Gerade das Beispiel Ungarn belegt, dass EU-Mitgliedschaft allein keineswegs nationalistische Kräfte einhegt. Vielmehr nutzen Neonationalisten schwach überwachte Brüsseler Geldflüsse, um ihr Machtvolumen aufzupumpen. Vermeintlich lupenreine Demokratien sollten mit der schärfsten demokratischen Lupe untersucht werden. Rechtsstaatlichkeit ist das zentrale Kriterium für die Aufnahme in das mächtige Friedensprojekt Europäische Union. Wer dem Club beitreten will, sendet erst einmal ein Signal der Hoffnung. Doch der Club muss unmissverständlich klarmachen, dass er kein bequemer Geldautomat ist, sondern eine demokratische Institution mit höchsten Ansprüchen.

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