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Dichter Verkehr auf der Lichtenberger Brücke in Berlin.

© Soeren Stache/picture alliance / dpa

Prämien für Verbrennungsmotoren auf Autogipfel?: Mit Vollgas in Richtung Vergangenheit

Die Forderung nach Kaufprämien für Verbrennungsmotoren ist nichts als Klientelpolitik, zu Lasten des Landes. Es ist der pure Populismus. Ein Kommentar.

Kaum etwas erhitzt die Gemüter in diesem Land so sehr wie die Zukunft des Autos. Das ist verständlich, ist es doch für viele ein essentielles Fortbewegungsmittel, ein Stück Freiheit und oftmals das Wertvollste, was sie besitzen. Umso unverständlicher sind die Signale, die aus der Politik kommen, wenn es um dessen Weiterentwicklung geht.

Noch immer ertönt aus den Heimstätten der Autoindustrie die Forderung, auch den Verbrennungsmotor mit Kaufprämien zu fördern. In vorderster Front ruft ausgerechnet CSU-Chef Markus Söder, der eigentlich den Konservatismus in die Moderne schieben möchte. Das ist Klientelpolitik, das ist eine Politik zu Lasten der Verbraucher, des Landes und seiner Zukunft. Es ist der pure Populismus.

Auch Söder weiß genau, dass die Zukunft des Personenverkehrs elektrisch ist, zumindest hybrid. Wo sie auf jeden Fall nicht liegt: im Verbrennungsmotor, und sei er noch so effizient. Was soll also dieser Blick nach hinten, in das Fahrwasser der Autokonzerne, deren Führung oftmals längst nach vorn peilt?

Es liegt ein Fluch auf dieser Republik, es ist das zu lange Festhalten an dem Vorhandenen, die Verklärung dessen, was war, Vollgas Richtung Vergangenheit, und das Bremsen, wenn es um den Aufbruch geht. Dabei möchte niemand in den Autos der achtziger Jahre herumzuckeln, das Telefon mit Wählscheibe bedienen oder sich gar den vergangenen Praktiken der Medizin unterwerfen.

Der Blick zurück geht zu Lasten unseres Planeten

Alle schätzen den Fortschritt, nur der Einsatz dafür ist irgendwie aus der Mode gekommen. Das Land ist nicht selten geprägt von einer fast hoffnungslosen Romantik, was den Blick zurück angeht – und von diffusen Ängsten, was die Zukunft betrifft. Das ist liebenswert, vernünftig ist es nicht. Es ist Leben zu Lasten unseres Planeten, zu Lasten der zukünftigen Generation, zu Lasten aller, die in Zukunft noch Wohlstand schaffen wollen.

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Die Autoindustrie auf Zukunft zu trimmen bedarf gewaltiger Anstrengung, die jede Unterstützung verdient hat. Hier bündeln sich die bisher vernachlässigten Zukunftsthemen der Republik: Schutz des Klimas, Fortschritt in der Digitalisierung, soziale Sicherheit für die nächste Generation. Hier hinkt das Land, dessen Besserwisser sich gern wegen vergangener Leistungen auf die Schulter klopfen, bedrohlich hinterher.

Mal alles auf den Kopf stellen? Kommt den Besitzstandswahrern des Landes nicht in den Sinn. (Das Foto vom 8. September zeigt eine Demonstration vorm Kanzleramt anlässlich des für den Abend geplanten Autogipfels).
Mal alles auf den Kopf stellen? Kommt den Besitzstandswahrern des Landes nicht in den Sinn. (Das Foto vom 8. September zeigt eine Demonstration vorm Kanzleramt anlässlich des für den Abend geplanten Autogipfels).

© Annette Riedl/dpa

Das Auto der kommenden Jahrzehnte ist ein digitales Betriebssystem, das auch noch ein Fahrgestell und eine Karosserie besitzt. Statt an der Effizienz des Feuermotors zu tüfteln, eine Fertigung, die immer noch das Herz der Autoindustrie darstellt, sollte der Schwerpunkt der Entwicklung in der Batterietechnik und der Programmierung liegen. Zentrale Bestandteile, die Tesla im eigenen Haus zur Perfektion treiben will – die aber von deutschen Konzernen noch immer zugekauft werden müssen.

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Manager wie VW-Chef Herbert Diess haben das erkannt, auch etliche führende Dienstleister, die etwa Tesla mit Komponenten beliefern. Aber Söder und sein Adlatus im Verkehrsministerium, Andreas Scheuer, noch nicht. In einer Zeit, in der Elon Musk in unverschämtem Tempo eine Fabrik hochzieht, wollen Bestandswahrer noch die Historie subventionieren – welch ein Irrweg.

Der Wandel muss deutlich beschleunigt werden

Freude am Fahren, das ist längst nicht mehr das Geschunkel in einer Verbrennerlimousine, das ist der unglaubliche Anzug eines Elektrowagens, das ist das nahezu lautlose Gleiten durch Städte und Landschaften, das ist die Energierückgewinnung beim Bremsen, das ist das Gefühl der schadstofflosen Mobilität. Wenn denn der deutsche Strom nur nicht so umweltschädlich wäre.

Und hier kommt das zweite Zukunftsdilemma der Autoindustrie – wiederum liegt es an der Fehlsubventionierung des Vergangenen. Das groteske Festhalten an der Braunkohle sorgt dafür, dass ein nach neuesten Standards produzierter Diesel noch immer seinem Elektropendant in der Umweltbilanz ebenbürtig ist. Hier muss Wandel deutlich beschleunigt werden. Damit niemand mehr sagen kann, ein Verbrenner sei umweltfreundlicher.

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