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Schon wieder weg: Portugals konservativer Premierminister wurde nach nur wenigen Tagen im Amt von einer linken Parlamentsmehrheit per Misstrauensvotum abgesetzt.

© AFP

Portugal vor dem Regierungswechsel: Keine Angst vor den Linken

Portugal steht vor einem Kurswechsel - politisch wie wirtschaftlich. Deshalb auf EU-Ebene gleich in Panik zu verfallen wäre falsch. Ein Kommentar

Droht Portugal nach dem Sturz der gerade erst ernannten Mitte-Rechts-Regierung nun der wirtschaftliche Absturz – wie in Brüssel befürchtet wird? Oder kann eine linke Regierung Fehler der Sparprogramme korrigieren und trotzdem auf Kurs bleiben – wie die Portugiesen hoffen? Am Tag nach dem Misstrauensvotum sind viele Fragen offen. Auf EU-Ebene in kollektive Panik zu verfallen, nur weil das Land eventuell seinen Wirtschaftskurs ändern wird, wäre aber falsch.
Dieser „Sturz“ kam nicht überraschend. Das konservative Regierungsbündnis hatte bei der Wahl Anfang Oktober zwar die meisten Stimmen gewonnen, aber die Parlamentsmehrheit verloren. Der portugiesische Präsident Anibal Cavaco Silva beauftragte seinen Parteikollegen Pedro Passos Coelho trotzdem mit der Regierungsbildung und argumentierte gegen die linke und lose gebündelte Mehrheit aus Gründen der „nationalen Sicherheit“. Die setzte er mit dem bisherigen Wirtschaftskurs gleich. Doch wenn er keine politische Krise und kein dreiviertel Jahr Stillstand bis zu möglichen Neuwahlen riskieren will, muss er den Wechsel akzeptieren.
Unberechenbar sind für Brüssel die neuen Bündnispartner der Sozialisten, der „Linke Block“ und die Kommunisten. Die Sozialisten selbst jedoch, die künftig die Regierung allein und von links toleriert übernehmen wollen, haben die Troika-Verträge vor Jahren gemeinsam mit den Konservativen unterzeichnet. Frontalopposition sieht anders aus. Sie haben nun rund 70 Maßnahmen mit ihren linken Unterstützern vereinbart. Der wohl wichtigste Punkt: eine Erhöhung von in der Krise stark gekürzten Löhne und Renten.

Portugal kann über seinen Kurs allein bestimmen - anders als Griechenland

Das kann man als Rückschritt verdammen oder auf eine höhere Kaufkraft, Nachfrage und dadurch bedingte wirtschaftliche Erholung setzen. Dies ist genauso eine Frage der ökonomischen Perspektive wie die, ob die wirtschaftliche Erholung Portugals den Troika-Programmen zu verdanken ist. Konservative Politiker und viele Ökonomen sehen das so, ihre Gegner halten dagegen: Es sei vielmehr eine Erholung trotz Troika gewesen, am Absturz Portugals sei vor allem der Bankensektor Schuld gewesen, während die Kürzungen vor allem den Bürgern zugemutet worden seien.
Ein Vergleich zu Griechenland aber hinkt gewaltig. Portugals Situation war von Anfang an nicht annähernd so dramatisch wie die der hellenischen Republik. Die Notkredite waren deutlich geringer. Portugal ist heute – im Gegensatz zu Athen – an keine Sparverträge mehr gebunden, die Programme sind abgeschlossen. Den Stabilitätspakt, der die Defizitgrenzen im Staatshaushalt für alle EU-Länder regelt, wolle man einhalten, heißt es in Lissabon. Entscheidend wird sein, ob sich davon auch Ratingagenturen und Investoren überzeugen lassen.

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