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Für viele eine Ärgernis: die derzeit vergleichsweise hohen Preise an der Tankstelle.

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Populistisch, verkehrt, unfair: Ein Tank-Zuschuss wäre ein grober Fehler

Sprit für alle billiger zu machen ist ungerecht, zu kurz gedacht - und außerdem tickt die soziale Zeitbombe woanders. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Zu Fuß staunt man, im Auto ärgert man sich: Die Preise an den Tankstellen nähern sich den 2,50 Euro pro Liter. Jetzt hat die Ampel ein Problem. Denn hohe Benzin- und Dieselpreise sehen die Bürgerinnen und Bürger jeden Tag und spüren sie auch sofort auf dem Konto. Runter also damit durch Steuerverzicht oder Tank-Zuschuss, wie es die FDP und die Union fordern?

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Das wäre ein Fehler, und zwar ein grober. Denn, erstens: Es sieht alles nach einer kurzen, harten Preisspitze aus. Benzin und Diesel sind viel stärker im Preis gestiegen als Rohöl. Das liegt am Chaos in den Lieferketten und großer Unsicherheit im Markt. Dieser Schluckauf wird sich aller Voraussicht nach legen, denn das russische Öl an sich ist vom Embargo nicht betroffen. Nun fällt sogar der Ölpreis schon wieder, diese Woche ging es deutlich bergab. Zudem wird sich die große Delle im Wirtschaftswachstum durch den Krieg vermutlich bald bemerkbar machen.

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Zweitens: Sprit für alle billiger zu machen ist unfair. Der Sportwagen-Fahrer beim Sonntagsausflug hat viel davon, der ÖPNV-fahrende Normalverdiener subventioniert dann über die Staatskasse dessen Spaß. Klar, wer einen langen Pendelweg ohne Alternativen hat und finanziell knapp hinkommt, ist ebenfalls gekniffen. Aber für diese Fälle müssen unbürokratische Sonderzahlungen her, etwa auf Basis der letzten Einkommenssteuererklärung, die auch den Pendlerweg dokumentiert.

Zusatzkosten von mehreren Tausend Euro

Drittens: Die Spritpreise sind leider das kleinste Problem. Der Ölpreis hat sich auf Jahresfrist nicht einmal verdoppelt. Die soziale Zeitbombe tickt woanders: Gas wird an den Energiebörsen sechs Mal so teuer gehandelt wie vor einem Jahr.

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Mit der nächsten Nebenkostenabrechnung oder der unvermeidlichen Preiserhöhung direkt durch den Gasversorger kommen gewaltige Zusatzkosten auf viele Verbraucher zu. Auch Strom wird deutlich teurer. Vor dem gleichen Problem stehen weite Teile der deutschen Industrie, die zum Teil mit Konkurrenz zu kämpfen hat, zum Beispiel aus den USA, die weiter an günstige Energie kommt.

[Lesen Sie auch: Krach in der Ampel: Das Duo Scholz-Lindner brüskiert die Grünen (T+)]

Die Belastungen sind gewaltig, und die Betroffenen haben so gut wie keine Ausweichmöglichkeiten. Die Zusatzkosten für einen größeren Haushalt werden sich im kommenden Winter aller Voraussicht nach auf mehrere Tausend Euro belaufen.

Das ist für viele schlicht nicht mehr leistbar. Staatliche Zuschüsse sind unvermeidlich. Gleichzeitig gilt es für die Ampel, den Umstieg auf Alternativen zu teuren und klimaschädlichen fossilen Brennstoffen zu finanzieren. Die Koalitionäre sollten sich also zusammenreißen, dem Drang und Druck widerstehen und in einer schwierigen Situation die richtigen Prioritäten setzen. Sprit-Populismus wäre die falsche.

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