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Richard Grenell - hier bei der ITB Messe - ist seit zehn Monaten US-Botschafter.

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Polternder US-Botschafter: Richard Grenell – der Undiplomat

Der US-Botschafter erhebt Polterei zum Prinzip. In Berlins politischer Klasse ist der 52-Jährige deshalb isoliert. Ein Blick auf eine schwierige Beziehung.

Die Liste der unschmeichelhaften Titel, die der US-Botschafter Richard Grenell in seiner zehnmonatigen Amtszeit in Berlin bereits gesammelt hat, ist lang: „Totalausfall“, „Gehabe eines Flegels“, „rechtsextremer Kolonialoffizier“, „er meint, nach Gutsherrenart bestimmen zu können“, „der kleine Trump“. Am Mittwoch ist noch einer dazugekommen. Gregor Gysi will ihn zur „Persona non grata“ erklären lassen, schreibt der Linken-Politiker auf Twitter: „Vielleicht schicken die USA danach einen Botschafter, mit dem man deutlich besser reden & verhandeln kann.“

Der 52-jährige US-Botschafter hat es mal wieder nicht lassen können. Oder vielmehr, er wollte es nicht lassen. Als die Zahlen über die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung durchgesickert waren, hat er das getan, was er am liebsten tut – er schimpfte: „Dass die Bundesregierung es auch nur in Erwägung zieht, ihre ohnehin schon inakzeptablen Beiträge zur militärischen Einsatzbereitschaft auch noch zu reduzieren, ist ein beunruhigendes Signal Deutschlands an seine 28 Nato-Verbündeten.“ Wolfgang Kubicki, FDP, sagte, Grenell führe sich wie der „Hochkommissar einer Besatzungsmacht“ auf und müsse umgehend ausgewiesen werden.

Grenell ist kein Diplomat, sondern ein Ideologe. Trotzdem sollten wir Trump nicht die Gelegenheit geben, sich erneut gegen die EU und insbesondere gegen Deutschland zu betätigen, indem wir Grenell nach Hause schicken. Wer stattdessen kommt, ist auch nur von Trump geschickt.

schreibt NutzerIn Gophi

Allerdings darf man mutmaßen, dass sich Grenell dadurch nicht etwa gekränkt, sondern verstanden fühlt. Viel Feind’, viel Ehr’. Sie dürften ihn in dem Glauben bestätigen, dass der Diskurs in Deutschland von „Eliten in Berlin kontrolliert“ werde. Wer die Dinge offen anspreche, müsse damit rechnen, von manchen Medien in die äußerst rechte Ecke gestellt zu werden.

Das Einmischen ist Grenells Leidenschaft

Es ist ein geschlossenes Weltbild, das sich gegen Einwände immunisiert hat. Je heftiger die Kritik, desto schlagender der Beweis, dass sich der Kritisierte getroffen gefühlt hatte, und weil sich der Kritisierte getroffen gefühlt hatte, war die Kritik an ihm berechtigt. „Was trifft, trifft auch zu“: Das Zitat wird manchmal fälschlicherweise Karl Kraus zugeschrieben, der sich dagegen nicht mehr wehren kann. Als Motto eint es heute die globalen Wortführer des Rechtspopulismus.

Polterei als Prinzip. Das kennzeichnet auch Grenell. Vorbei und vergessen ist sein Versprechen vom Juni vergangenen Jahres, als er nach einer Kontroverse reumütig versprach: „Ich habe nicht die Absicht, mich in politische Angelegenheiten aktiv einzumischen.“ In sozialen Netzwerken würde hinter diesem Satz ein „lol“ vermerkt, „laughing out loud“.

Denn das Einmischen ist Grenells Leidenschaft. Die lebt er so intensiv aus, dass selbst Friedrich Merz, der Chef der Atlantik-Brücke, auf Anfrage abwehrt. „Zu diesem Mann äußere ich mich überhaupt nicht“, sagt er. Mehr Distanz, diplomatisch verpackt, geht kaum.

Es begann gleich an Grenells erstem Arbeitstag mit einem frech-forschen Tweet, adressiert an deutsche Unternehmen. Die forderte er auf, unverzüglich ihre Geschäftsbeziehungen zum Iran zu beenden. Dann gab er dem rechtspopulistischen „Breitbart News Network“ ein Interview, in dem er erklärte: „Ich möchte unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken.“ Und: „Es gibt das Erwachen einer schweigenden Mehrheit, die Eliten und deren Blase ablehnt.“

Er droht Unternehmen, kritisiert Medien

Anschließend drohte Grenell Unternehmen, die sich am deutsch-russischen Erdgaspipeline-Projekt „Nordstream 2“ beteiligen, Sanktionen an. Die Bundesregierung kritisierte er dafür, sich nicht an den Luftangriffen auf Damaskus und Homs beteiligt zu haben. Der Chefredaktion des „Spiegel“ warf er antiamerikanische Berichterstattung vor, „seitdem Präsident Trump im Amt ist, stieg diese Tendenz ins Uferlose“.

Vor wenigen Tagen drohte Amerikas Chefdiplomat in Deutschland erneut: Falls das chinesische Unternehmen Huawei am Aufbau des Mobilfunknetzes 5G beteiligt werde, würde sein Land die Geheimdienst-Zusammenarbeit einschränken. Die Bundesregierung reagierte mit der etwas trotzig klingenden Bemerkung, man sei nicht erpressbar.

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Das Wiener Übereinkommen über die diplomatischen Beziehungen verpflichtet Botschafter, sich nicht in die inneren Angelegenheiten ihres Gastlandes einzumischen. Sie sollen Kontakte in die Regierungen knüpfen und für die Positionen ihres eigenen Landes werben. Botschafter vertreten ein Land, keine Partei und keinen Präsidenten. Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemals deutscher Botschafter in den USA, hatte Grenell entsprechend geraten, sich nicht als Erstes im Gastland unbeliebt zu machen, sondern sein Land in all seinen Facetten zu erklären. Doch solche Ratschläge erreichen den Haudrauf nicht.

Handelt er mit Trumps Plazet?

In Berlins politischer Klasse ist Grenell deshalb ziemlich isoliert, lediglich Gesundheitsminister Jens Spahn nennt sich noch dessen Freund. Außerdem weiß niemand, ob der US-Botschafter aus Willkür handelt oder mit dem Plazet von Donald Trump. Zwar betont Grenell bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie eng sein Draht ins Weiße Haus sei, aber offenbar beruht die Wertschätzung nicht immer auf Gegenseitigkeit. Als ein Nachfolger für die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley gesucht wurde, ignorierte Trump die Ambitionen Grenells.

Weil der Umgang mit dem hyperventilierenden Hitzkopf als toxisch gilt, produzieren dessen Forderungen oft den Jetzt-erst-recht-Effekt. Grenell ist gegen Geschäfte mit dem Iran? Jetzt erst recht. Grenell ist gegen Nordstream 2? Jetzt erst recht. Grenell fordert eine drastische Erhöhung des Wehretats? Jetzt erst recht nicht.

Grenells Gegner sehen ihn daher als Teil jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Zum Mephisto wird der US-Botschafter dadurch nicht. Außerdem ist Trotz ein schlechtes Handlungsmotiv. Aber wer durch seine Art just jene Probleme verstärkt, die er zu bekämpfen vorgibt, sollte vielleicht doch einmal sein Auftreten überdenken.

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