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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem bunten Windrad auf der Bühne.

© Bernd Wüstneck/dpa

Politische Sturmböen in der CDU: Die Zyklonen werden von nun an männliche Namen tragen

Früher war deutsche Politik mild, grau und oft todlangweilig. Das hat sich nach Thüringen massiv geändert, befindet unsere Kolumnistin.

Mit Sabine und Annegret haben sich diese Woche zwei Sturmtiefs abgesprochen, um das Land gründlich durcheinanderzuwirbeln. Schon seltsam, wie Politik und Wetter sich manchmal verbünden. Während draußen Sabine wütete, Bäume ausriss und Züge lahmlegte, sorgte Annegret im Haus der CDU für Chaos. Annegret war der letzte Windstoß nach den nicht enden wollenden Sturmböen, die Thüringen verwüsteten: In dem kleinen Land fernab von Berlin wurde ein FPD-Kandidat mit den Stimmen der von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt.

Ein Sturm der Empörung und des Protestes erhob sich in ganz Deutschland. Dass Parteien, die als über jeden Verdacht erhaben galten, mit der fremdenfeindlichen und vor nichts zurückschreckenden extremen Rechten gemeinsame Sache machten, und das ausgerechnet in Deutschland … Die Schockwelle reichte bis über die Grenze.

Früher war politische Flaute

Als der Frischgewählte am nächsten Tag seinen Rücktritt ankündigte, sah er aus wie ein schuldbewusstes Kind, dem seine Eltern in Berlin die Leviten gelesen hatten. Es ist noch gar nicht so lange her, da ähnelte die Politik in Deutschland einem langen, ruhigen Tag mit beständigem Wetter, mild und ein wenig grau. Nicht ein Lüftchen regte sich, kein Tropfen Regen war in Sicht, nicht einmal ein Sonnenstrahl, um die Gemüter ein wenig zu erhitzen.

Ohne Wetterschwankungen, vorhersehbar und manchmal todlangweilig. Wie viel Kongresse habe ich erlebt, auf denen ein Donnerschlag angekündigt war, eine brutale Amtsenthebung, ein Wutausbruch, eine unmissverständliche Rede. Die angekündigten Wirbelstürme fielen jedoch jedes Mal noch bevor sie losbrausen konnten zusammen. Und ich ging frustriert nach Hause, weil ich wieder einmal einen lauwarmen Artikel schreiben musste, der, da war ich mir sicher, in Frankreich keinen Mensch interessierte.

Zum Beispiel die Nachfolge von Angela Merkel. Hatte die Kanzlerin nicht alles perfekt geregelt und ihre Favoritin an die Parteispitze gesetzt, um in aller Ruhe den Boden für die Wahlen von 2021 bereiten zu können? So viel Umsicht war gestern. Die deutsche Politik scheint ein Opfer des Klimawandels geworden zu sein. Seit Monaten nichts als Blitz und Donner, heftige Regenschauer und Phasen extremer Dürre.

Zyklon Armin im Anflug

Da kann AKK noch so sehr versuchen, die Wellen zu glätten und versichern, sie verlasse den Posten der Parteivorsitzenden erst am Ende des Jahres, die K-Frage werde nicht vor Dezember entschieden. Keiner glaubt ernsthaft mehr an Gutwetter in der Politik. Schon kündigen in Berlin die Wetterfahnen den Orkan Angela an, der auf seinem Weg alles mit sich reißen wird.

Kann Angela Merkel die Geschicke der Groko noch bis zum Herbst 2021 lenken, oder wird die Kanzlerin für eine Überraschung sorgen und ihren baldigen Rücktritt ankündigen? Was sonst nur reine Spekulation in bereits angeheiterten, spätabendlichen Redaktionskreisen war, ist eine Möglichkeit, die heute niemand mehr völlig ausschließt. Wird die Groko dieser unbeständigen Wetterlage standhalten?

Man muss kein Meteorologe sein, um zum Winterende Stürme, für März sintflutartige Regenfälle, für April Hagelschauer und für den Sommer all die Gewitter vorauszusagen, die sich schon am Horizont zusammenbrauen. Doch die Zyklonen werden von nun an männliche Namen tragen. Bereiten Sie sich schon einmal vor auf Friedrich, Jens, Markus und Armin.

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