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Abkehr. So wie auf dieser Darstellung gehen viele Väter und Mütter miteinander um, wenn die Beziehung zerbricht. Oft bleiben die alleinerziehenden Frauen auch auf den Schulden des Ex-Partners sitzen – da tut Hilfe not.

© imago, Niehoff

Ehe heute: Schwarzwalddüster

Jochen König und Wolfgang Schmidbauer beschreiben in ihren Büchern die Ehe als eine Institution in der Krise. Eine Rezension

Die Ehe, die hergebrachte, befindet sich in einem Erosionsprozess. Kräfte aus verschiedenen Richtungen wirken auf das hergebrachte Beziehungsmodell, in dem sich eine Frau und ein Mann ineinander verlieben, heiraten, Kinder bekommen und nach vielen Jahren merken: dass es schön und mühselig ist, dieses Familienleben; dass dabei vieles an Romantik auf der Strecke bleibt; dass man miteinander mehr Schönes erlebt und Schweres geteilt hat als mit jedem anderen Menschen. Diese Perspektive veranlasst jedes Jahr über 370 000 Menschen, zu heiraten.

Die Anzahl der jährlich neu erscheinenden Beziehungsratgeber dürfte kleiner sein. Doch die Enttäuschung über den Unterschied zwischen romantischen Erwartungen an die Ehe und der Wirklichkeit zeigt sich an einer Vervielfältigung der Beziehungsmodelle. Was wird, wenn man die Beziehungen ordnen muss, weil Kinder berücksichtigt werden müssen, hat der Berliner Autor Jochen König untersucht. Seinem neuen Buch „Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern und anderen Familien“ liegen unzählige Spielplatz- und Café-Gespräche zugrunde, die König mit Frauen und Männern führte, die auf neue Arten mit Kindern, Ex- und neuen Partnern zusammenleben.

Sein Buch hat einen Vor- und einen Nachteil. Der Vorteil: König beschreibt mit der Freude eines Kindes an der Entdeckung der Welt, was alles geht. Angefangen mit ihm selbst: Er ist Bezugsperson Nummer eins für Tochter Fritzi, die „überwiegend“ bei ihm wohnt. Eine ältere Tochter lebt bei ihrer Mutter, mit der König nicht zusammenleben, aber ein Kind haben wollte. Berlin eben. Weil König aus der journalistischen Familienforschung stets neue Erkenntnisse gewinnt, schreibt er Sozialgeschichten über Väter, die sich nicht kümmern, und Väter, die sich ganz alleine kümmern, über Frauen, die „mutterseelenalleinerziehend“ mit den Folgen einer mehr oder weniger schönen Nacht leben, über Rollen, Elternzeiten, über Patchworkfamilien und „Co-Elternschaft“. Die Erkenntnis? Alles geht – und es geht nicht leicht.

Etwas nervig an Königs Untersuchung (und nachteilig für das, was er will: für neue Möglichkeiten werben) kann man seinen politischen Impetus finden. König nennt sich einen „Feministen“. Das bedeutet, dass er nicht bloß ein großer Frauenversteher ist, sondern dass ihm vor lauter Bewunderung für die Menschen, die der Menschheit die Kinder schenken, die Fähigkeit zur, sagen wir: sanften Kritik abhandengekommen ist. Sein Tenor: Frauen, die ohne die Väter Kinder großziehen, sind daran völlig unschuldig und sollen jede denkbare Hilfe des Staates beanspruchen können.

Zweitens will König latent gegen die herkömmliche Ehe agitieren. Zahlen, Daten, Beispiele, im Grunde die Menschheitsgeschichte beweisen dem Milieuforscher, dass die Normal-Ehe mit Kindern von gestern ist: „Familie ist kein feststehendes Konzept, sondern immer nur im Kontext der Zeit, der jeweiligen gesellschaftlichen Trends und der wirtschaftlichen Ordnung zu verstehen.“

Wolfgang Schmidbauer, einer der Granden der Beziehungsberatung, geht in seinem Buch über „Die deutsche Ehe“ noch weiter. Für Schmidbauer ist es weniger der Staat, der mit der Freude seiner Bürger an neuen Kindererziehungsmodellen nicht mitkommt, als die düstere deutsche Geschichte, die deutsche Ehen extrem schwergängig macht. Von den Germanen bis zu den Nazis, so Schmidbauer, ziehe sich eine Fixierung heiratswilliger Deutscher auf Ideale wie Treue, Tiefe, Innerlichkeit, eine romantische Verblendung, die die Deutschen blind, mindestens tränenblind für die doch verstehbaren Regeln ehelicher Beziehungsdynamik mache. Typisch deutsch sind für Schmidbauer ein Mangel an Respekt für den anderen und eine Neigung zur Rechthaberei. Schade, dass hier der Vergleich mit Eheproblemen etwa der Italiener oder Franzosen nicht möglich ist, weil Schmidbauer seine Thesen auf Gespräche mit deutschen Ratsuchenden stützt. Manches nämlich liest sich derart schwarzwalddüster, dass man sich fragt, wie Deutsche sich im Schatten ihrer Geschichte nur mal kurz verlieben konnten. Das Schöne an diesem Buch ist sein Ende in Gelassenheit: „In Wahrheit gibt es so viele Lieben wie Menschen, ausgesprochene und unausgesprochene, gehemmte und leidenschaftliche, skeptische oder verblendete.“ Werner van Bebber

Jochen König: Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern und anderen Familien. Herder Verlag, München 2015. 192 Seiten, 16,99 Euro

Wolfgang Schmidbauer: Die deutsche Ehe. Liebe im Schatten der Geschichte. Orell Füssli, Zürich 2015. 223 Seiten, 21,95 Euro

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