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Früh krümmt sich, was ein Smiley werden will. Pakete im Mönchengladbacher Logistikzentrum von Amazon.

© dpa / Rolf Vennenbernd

Politik paradox: Digitalisierung mit Stolperfallen

Zwischen Streik und Paketabgabe-Plänen: Verdi zeigt der Politik wie man mit Online-Riesen wie Amazon umgeht. Ein Kommentar.

Verdi bestreikt Amazon – an diese regelmäßig wiederkehrende Meldung hat man sich schon fast gewöhnt. In diesen Tagen verdient sie aber aus doppeltem Grunde Beachtung. Zum einen drückt der Vorweihnachtsstreik das berechtigte Interesse an fairen Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen aus. Zum anderen zeigt er der Bundesregierung aber auch, wie man mit den US-Onlineriesen umgehen sollte: indem man sie an die Kette guter Sitten und Gesetze legt, die im Land üblich sind.

Das können – im Beritt von Verdi – ordentliche Arbeitsverträge und -bedingungen sein. Oder Steuervorschriften, vor denen man sich nicht mit Tricks und Kniffen drücken kann. Das wäre der Beritt der Politik, und die macht seit Jahren klar, dass sie dem steuervermeidenden Geschäftsgebaren der Onlineriesen nicht beikommt.

Stattdessen hat die große Koalition in den vergangenen Tagen vorgemacht, wie man nicht auf die Dominanz von Amazon und Co. reagieren sollte, als sie eine Paketabgabe ins Gespräch brachte, über die Onlinehändler an der Erhaltung der angeblich durch sie gefährdeten Innenstädte beteiligt werden sollen.

Ein Ausweis von Konzeptlosigkeit, mit dem – die Idee kam aus der CDU – die Politik auch noch ad absurdum führte, was sie selbst den kleinen Einzelhändlern seit Jahren predigt. Nämlich: „Digitalisiert euch!“ Zahlreiche Fördermillionen wurden inzwischen für Digitalisierungshilfsangebote ausgegeben. Und diese neuen Geschäftsmodelle sollen jetzt mit neuen Abgaben belastet werden?

Auch der Einzelhandel kann online

Ähnlich platt war die Forderung von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, ebenfalls CDU, Weihnachtspräsente bitte nicht im Internet einzukaufen. Als hätten nicht jenseits von Amazon längst auch zahlreiche inhabergeführte Geschäfte eigene Online-Konzepte entwickelt.

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Dabei könnte die CDU es besser wissen. Auf der Internetseite des von ihrem Parteimitglied geführten Wirtschaftsministeriums findet sich die unter Experten unstrittige Analyse: Ein Zurück in die Zeit vor der Dominanz des Online-Handels wird es nicht geben. Einen größeren Gefallen, als dem Handel Anreize zur Digitalisierung zu nehmen, könnte Laschet dem „bösen“ Amazon also gar nicht tun.

Statt mit populistischen Forderungen einen Gegensatz zwischen Online- und Offline-Handel zu konstruieren, sollte Amazon mit guten Tarifen und harten Steuergesetzen begegnet werden. Verdi tut seinen Teil hier.

Für den Rest ist die Politik zuständig. Aber Laschet zog es vor, vorwurfsvoll in den Raum zu werfen, dass die Geschenke jetzt bei Unternehmen gekauft würden, „die in Europa keinen Cent Steuern zahlen“. Vielleicht sollte er sich lieber darum mal zupackend kümmern, anstatt den notwendigen Strukturwandel aufzuhalten.

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