zum Hauptinhalt
Luftballons in den Jamaika-Farben fliegen bei der Parlamentarischen Gesellschaft in den Himmel.

© dpa

Political Animal: Vorsicht vor dem Höhenrausch

Union, FDP und Grüne sind auf dem Weg nach Jamaika. Da gibt es möglicherweise einen Trick. Ein Kommentar.

Achteinhalbtausend Kilometer bis nach Jamaika – daran wird heute alles gemessen. Eine politische Wegstrecke, bei der das Ziel weit, weit entfernt erscheint. Aber vielleicht ist das alles nur ein Trick. Vielleicht sollen alle denken, dass es beschwerlich sei – damit es umso strahlender wirkt, wenn die Reisegruppe in Schallgeschwindigkeit das Ziel erreicht?

Kann sein. So, wie sich die Crews verhalten, kann man auf diese Idee kommen. Derart viel Einigkeit war nämlich ungeachtet aller Nebengeräusche und demonstrativen Unterschiede in den vergangenen Jahren selten. Schon im Ton ist vieles anders geworden. Gut, Handküsse werden untereinander gerade keine mehr verteilt. Aber der Wille zur unbedingten Höflichkeit, ja Freundlichkeit belegt den Willen zur Macht.

Hat jemand von einem der wichtigen Unterhändler ein böses Wort über den Wunsch nach Cannabis-Freigabe gehört? Oder über die Vorstellung, die „schwarze Null“ könnte jetzt verfrühstückt werden? Das schreckt offenbar auch niemanden mehr auf. Die Milliarden für die je unterschiedlichen Wünsche sind doch da. Und wenn es gar zu toll kommt – dann kommt bestimmt einer mit dem Vorschlag einer Steuerreform. Ach, ist ja schon passiert. Na, das muss reichen.

Was die Koalition zum Fliegen bringt

Die Frage ist, was diese Koalition am besten zum Fliegen bringt: Jedes Detail in einem Vertrag regeln, nach Prozenten ausgewogen, damit nur noch abgearbeitet werden muss; oder bloß Leitlinien nach dem Motto „Regieren ist sowieso stetiges Sondieren“. In beiden Fällen steht fest, dass in Personalfragen das Motto herrschen muss: Ich gebe, damit du gibst.

Nehmen wir zum Beispiel, dass die Grünen der FDP ein zum Zukunftsministerium ausgebautes Digitalressort für Christian Lindner geben könnten. In dem würde unter anderem der populärwissenschaftliche Vorsatz „Jeder soll ein bisschen programmieren lernen“ ressortieren; gewissermaßen ein bisschen Ranga Yogeshwar für alle. Der TV-Star wirbt schon länger dafür – und Lindner findet es gut. Dann bekämen die Grünen dafür das Außenministerium für eine, Katrin Göring-Eckardt, oder einen der ihren, Cem Özdemir. (Was umso leichter fällt, weil das Amt längst einen Bedeutungsverlust erleidet, neben der Bundeskanzlerin und dem Finanzminister. Aber darüber redet lieber keiner.)

So werden sich Hinderungsgründe in Luft auflösen – wenn die Beteiligten keinen Höhenrausch bekommen. Die Idee, FDP und Grünen je einen Vizekanzler zuzuschanzen, ist nahe dran. Aber nicht an Jamaika.

Zur Startseite