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Wolfgang Roth und Wolfgang Thierse in Bonn in der Bundespressekonferenz.

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Political Animal: Die Wirtschaft zählt

Das Feld der Finanzpolitik ist schwierig für die SPD. Warum ihr ein Kopf wie Wolfgang Roth fehlt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Schauen wir doch einmal auf das, was die SPD gerade auf die Waagschale bringt, auf dass man ihr folge und sie wähle. Also, die Arbeits- und Sozialpolitik von Hubertus Heil, klar. Aber dass das bei der Sozialdemokratie zu Buche schlüge? Eher nein. Das wird, sagen wir, konsumiert, als gegeben angesehen.

Dann die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Darum ist Olaf Scholz doch Finanzminister geworden: Weil den Menschen alles, was an ihren Geldbeutel gehen oder ihn füllen könnte, wichtig ist. Und, zahlt es sich aus? Auch wieder eher nicht.

Da drückt das Ressort von Scholz zu seinem Ruhme die globale Mindeststeuer durch – und es führt nicht gerade zu einem Aufschrei des Glücks. Weil auch gleich wieder viele Einwände laut werden: Ist gar nicht so viel Geld, was am Ende rauskommt; die großen Unternehmen werden gar nicht wirklich rangenommen; die EU wird gar nicht so schnell mitmachen.

Gibt es einen, der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der SPD kann?

Hieran sieht man mal, wie schwierig das Feld der Finanzpolitik ist, erst recht dann das der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und ein Politiker, der in den Augen der Menschen für beides steht, beides könnte (außer Scholz natürlich), ist gegenwärtig nicht so recht auszumachen. Ein ganz großer Name ist keine:r geworden. Da muss man schon in die Vergangenheit zurückgehen. Was die Malaise der aktuellen Situation zeigt.

Der Name aus der Vergangenheit ist Wolfgang Roth. So einen bräuchte die SPD jetzt, in jung. Gerade ist er 80-jährig gestorben. In der Traueranzeige haben so viele unterschrieben, die früher auch Rang und Klang hatten, Gerd Andres, Anke Brunn, Herta Däubler-Gmelin, Björn Engholm, Rudolf Scharping, Klaus Wedemeier, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Christoph Zöpel – und die Liste ist bei Weitem nicht vollständig. Alle würdigten sie Roth als einen ihrer Großen.

Erst Juso-Chef, dann Banker

Wie das? Roth war links, Chef der Jusos 1972 bis 74, als die das wirtschafts- und finanzpolitische System grundlegend in Frage stellten – und später dann wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, stellvertretender Fraktionschef, einer ihrer Köpfe für Wirtschaft und Finanzen.

Zuletzt war der studierte Volkswirt (auch in Berlin!) dann sogar Banker, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg. Das ging alles trotzdem zusammen. Denn Roth nahm man all die Jahre eines immer ab: die Sorge und Fürsorge für die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Und wenn man genau hinschaut, dann ist Roth das „role model“ für das, was heute immer noch nötig ist: Arbeit und Umwelt zu verbinden, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen. Das fand sich früh in Roths Reden.

Der heutige SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, Ex-NRW-Finanzminister und Kölner Kämmerer, hat schon richtig gesehen: „Er stand für eine Wirtschafts- und Finanzpolitik in Deutschland und Europa, die heute aktueller nicht sein könnte.“

Wenn’s denn mal so wäre. Dann würde die Partei vielleicht wieder auf fast eine Million Mitglieder wachsen, die sie hatte, als Roth in ihr groß wurde. Bei solchen Köpfen würden die SPD auch wieder mehr wählen.

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