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Fahnen mit schwarzem Trauerflor säumen die Straßen Danzigs seit dem Mord an Pawel Adamowicz.

© Tomasz Waszczuk/dpa

Polen: Tausende bei Begräbnis von Danzigs ermordetem Oberbürgermeister

Am Sonnabend trugen die Danziger Pawel Adamowicz zu Grabe. Zu Tränen und Trauer gesellten sich auch kämpferische Töne.

Als die Sirenen ertönen, strömen aus allen Richtungen Tauende von Danzigern zusammen. Viele tragen die blutrote Stadtfahne mit dem schwarzen Trauerflor mit sich, polnische Flaggen sind dagegen kaum zu sehen. Sie wollen auf dem historischen "Langen Markt" in der Innenstadt zumindest vor einem der dort aufgestellten Grossbildschirme dem Begräbnis-Gottesdienst für ihren vor Wochenfrist ermordeten Oberbürgermeister Pawel Adamowicz beiwohnen. 

Es sollte eine unpolitische Beerdigung sein

Viele wischen sich Tränen aus den Augen als der zelebrierende Danziger Erzbischof Slawoj Leszek Glodz an dessen Einsatz für Freiheit und Solidarität, aber auch Flüchtlinge aus Osteuropa und Syrien erinnert. Auch am sechsten Tag nach der Tat ist die Betroffenheit noch immer mit Händen zu greifen. "Der Hass ist schuld, die vergiftete politische Stimmung hat diesen Mord herbeigeführt", erklärt ein bärtiger Student. Die meisten Trauernden enthalten sich jedoch klarer Schuldzuweisungen, denn die Trauerfamilie hatte sich ein unpolitisches Begräbnis gewünscht.

Jeder durfte in die Kathedrale, er musste nur früh da sein

Dieses findet in der Marien-Kathedrale statt und jeder, der genug früh da war, kann daran teilnehmen. Einladungen seien bewusst keine ausgestellt worden, hiess es dazu im Rathaus, denn auch für Adamowicz seien alle Bürger gleich gewesen. Prominente hatten sich dennoch angekündigt. Neben drei Ex-Präsidenten, darunter Lech Walesa, und dem EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk, wie Adamowicz ein Einheimischer, wollte sich auch die rechtsnationale Kaczynski-Regierung eine späte Ehrerweisung nicht entgehen lassen. Dies mutet umso seltsamer an, als sie Adamowicz seit ihrer Machtübernahme im Herbst 2015, wo immer sie konnte auch justisch zugesetzt und ihn politisch geschnitten hatte. Am Samstag aber reisten Premier Mateusz Morawiecki und auch Staatspräsident Andrzej nach Danzig. Dem Begräbnis ostentativ fern blieb jedoch Jaroslaw Kaczynski, Polens starker Mann. 

Magdalena Adamowicz (vorne), die Ehefrau, und Antonina Adamowicz, eine der beiden Töchter des Ermordeten bei einer Messe am Sonnabend.
Magdalena Adamowicz (vorne), die Ehefrau, und Antonina Adamowicz, eine der beiden Töchter des Ermordeten bei einer Messe am Sonnabend.

© Adam Warzawa/PAP/dpa

Adamowicz war am vergangenen Sonntagabend auf einer Freiluftbühne bei einer von der Regierung als oppositionell eingestuften Spendenveranstaltung niedergestochen worden. Nach der Bluttat veranstalte der 27-jährige Möder einen Freudentanz und gab der liberalen Bürgerplattform (PO) die Schuld für seine Mordtat. Die Ermordung des Danziger Stadtpräsidenten hat die seit über zehn Jahren bitter verfeindeten politischen Eliten in Polen in den letzten Tagen etwas zur Besinnung gebracht. Die Bluttat hatte die Polen in der Tat zutiefst erschüttert. Schweigemärsche gegen Hass und Gewalt zogen Tausende auf die Strassen. 

Opposition bezichtigt Regierung, Kreide gefressen zu haben

Teile der liberalen Opposition werfen der Regierung jedoch vor angesichts der grossen Betroffenheit im Lande nur zum Schein wieder Kreide zu fressen. Die Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) wolle ihre Chancen bei den Parlamentswahlen vom Herbst nicht unnötig senken, deshalb trete sie nun plötzlich gegen jenen politischen Hass auf, den sie angefacht habe, hiess es etwa. Beim Danziger Begräbnis-Gottesdienst forderten gleich mehrere Redner, darunter der Bischof Glodz und die Ehefrau des Ermordeten, eine Überwindung des politischen Hasses in Polen. "Dieser Hass tötet unsere Vaterlandsliebe", ermahnte Glodz.

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