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Kein Freund von Plakaten im Bundestag: Wolfgang Schäuble

© Imago/Future Image/J. Krick

Plakate im Bundestag: Schäuble darf nicht einfach die Polizei zum Abhängen schicken

Der Bundestagspräsident mag im Parlamentsgebäude keine politischen Plakate. Ein Linke-Abgeordneter siegt nun mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht.

Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Rechte eines Linke-Bundestagsabgeordneten verletzt, als er durch die Polizei Plakate in dessen Büro entfernen ließ. Das Vorgehen sei nicht verhältnismäßig gewesen, stellte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss fest (Az.: 2 BvE 2/19).

Schäuble kämpft seit geraumer Zeit gegen plakative Meinungskundgaben an Wänden, Fenstern und Türen im Bundestag. Im Nachgang zu dem jetzt entschiedenen Fall ließ er die Hausordnung ändern, um solches Verhalten unterbinden zu können.

Geklagt hatte der Linke-Abgeordnete Michel Brandt. Zum Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im September 2018 hängte er kleinformatige Zeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG von außen sichtbar an die Fenster seiner Büroräume. Ein besonders sensibles Statement, weil sein Büro hinter den Straßenabsperrungen im Regierungsviertel lag, die anlässlich des Besuchs errichtet wurden.

Brandt ließ die Plakate auch noch hängen, als die Sperren wieder aufgehoben wurden. Bei einem Kontrollgang bemerkten Polizeibeamte die Symbole. Schäubles Parlamentsverwaltung ließ die Plakate daraufhin entfernen, ohne zuvor versucht zu haben, Brandt telefonisch oder auf anderem Wege zu erreichen.

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Arbeit der Abgeordneten soll nicht ungewollt bekannt werden

Die Verfassungsrichter erkennen darin eine Verletzung der Abgeordnetenrechte aus Artikel 38 des Grundgesetzes. Die Mandatsträger hätten das Recht, ihre Räume „ohne Beeinträchtigungen durch Dritte“ zu nutzen. „Andernfalls bestünde von vornherein die latente Gefahr, dass Arbeitsentwürfe und Kommunikationsmaterial im Zuge entsprechender Maßnahmen wahrgenommen werden und nach außen dringen“, heißt es in dem Beschluss.

Laut Grundgesetz übt der Bundestagspräsident das Hausrecht und die Polizeigewalt in Parlamentsgebäuden aus. Das Gericht ließ offen, ob dies überhaupt als Ermächtigungsgrundlage für den Zugriff taugte. Jedenfalls genüge das Vorgehen nicht den internen Dienstanweisungen für den Polizeivollzugsdienst im Bundestag, heißt es.

Zwar hatte Schäuble argumentiert, dass die Polizei mit ihrem Handeln möglichen Ausschreitungen oder Gewalttaten begegnen wollte. Das ließen die Richter aber angesichts der Schwere des Eingriffs nicht gelten: „Die Absicht, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages durch die Abwehr äußerer Gefahren zu sichern, wiegt nicht schwerer als die Sicherung der Funktionsfähigkeit durch die Gewährleistung der Integrität der Abgeordnetenbüros“, heißt es im Beschluss.

Es sei zudem nicht ersichtlich gewesen, dass Passanten die Plakate überhaupt wahrgenommen hätten. Angesichts des Din-A-4-Formats und der Distanz zur Straße sei das Provokationspotential „gering“ gewesen.

Schäuble gilt als Plakat-Gegner - und ließ die Hausordnung ändern

Schäuble sind die verschiedenen Polit-Kundgaben der Abgeordneten seit langem ein Dorn im Auge. Ende 2018 verkündete die Bundestagsverwaltung einen neuen Passus der Hausordnung: Das Anbringen von Aushängen in allgemein zugänglichen Gebäuden, insbesondere von Plakaten, Postern oder Schildern, die von außen sichtbar seien, ist demnach „ausnahmslos nicht gestattet“.

Anlass dafür war auch, dass sich ein munterer Schlagabtausch zwischen den Abgeordneten entwickelt hatte, insbesondere mit denen der AfD. Ihre Fraktion störte sich unter anderem an einem Plakat mit dem Slogan „Bunt statt Grauland“; gezeigt wurde dazu ein fotomontiertes Blumengesteck auf den Schultern eines älteren Anzugträgers und der Text „Schöner Leben ohne Nazis“.

Nach alter Hausordnung wäre das noch hinzunehmen gewesen, weil diese nur Spruchbänder und Transparente untersagt hatte. Gedacht war dabei vor allem an die Besuchertribünen im Plenarsaal.

Seit Ende 2018 wurden mit den neuen Regeln aber Plakate generell verboten. Erlaubt sind nur noch Aufsteller für die eigene Öffentlichkeitsarbeit, etwa für Pressekonferenzen. Schäuble hatte damals alle Abgeordneten aufgefordert, ihre Plakate bis Ende des Jahres abzuhängen.

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