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Wolfgang Schäuble (rechts) vor zwei Jahren im Gespräch mit Friedrich Merz.

© Michael Kappeler/dpa

Plädoyer für Friedrich Merz: Der Coup des Dialektikers Schäuble

Wolfgang Schäuble wirft sein gesamtes Renommee für Friedrich Merz in die Waagschale. Aber wird seine Rechnung am Ende aufgehen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Der Wettkampf um Angela Merkels Erbe ist in eine neue Phase getreten. Seit knapp sechs Wochen liefern sich die drei – oder, realistischerweise, zwei – Bewerber um den CDU-Vorsitz ein höfliches Duell mit gelegentlichen Spitzen, das der Rest der CDU-Führung mit betonter Zurückhaltung verfolgte. Die diffuse Warnung vor einer Achsenverschiebung galt schon als Bekenntnis, im konkreten Fall dann für Annegret Kramp-Karrenbauer und eher gegen Friedrich Merz. Der Senior der Partei hat jetzt den Höflichkeiten ein Ende gemacht. Wolfgang Schäuble wirft sein ganzes Renommee für den Ex-Fraktionschef Merz in die Waagschale.

In der Sache ist das nicht mal etwas Neues; jeder wusste, dass Schäuble die Kandidatur des alten Freundes befördert hat. Trotzdem verändert es wenige Tage vor dem Hamburger Parteitag die Lage. Was bisher oft wie eine geschmäcklerische Auswahl wirkte – hätten Sie’s gern Sauerländisch oder darf’s lieber etwas Saar sein? –, wird durch die Intervention aller Harmlosigkeit entkleidet. Die CDU steht vor einer Entscheidung, die ihre Zukunft lange prägen wird.

Ob Schäuble seine Partei in die gewünschte Richtung drängen kann, ist dabei keineswegs sicher. Merz’ Kandidatur hing immer etwas von Revanche an. Auch Schäubles Verhältnis zur Kanzlerin war oft ambivalent. Sein Interview vermittelt denn auch den Eindruck, dass ihn an Merz weniger inhaltliche Qualität als dessen Auftreten als Gegenmodell interessiert. Er sieht über die Fehlschüsse seines Favoriten – Stichwort Asylrecht – so leichthin hinweg wie er ihm großzügig „klare Konzepte“ zuspricht, die in Wahrheit weder der noch die beiden anderen Kandidaten vorgelegt haben.

Eine Debatte um Stärken und Schwächen fand kaum statt

Kurz – die Empfehlung des 76-Jährigen für Merkels alten Rivalen kann Gegenkräfte bei denen mobilisieren, die finden, auch für einen Hoffnungsträger aus der Ära Helmut Kohl sei die Zeit allmählich vorbei, in der man auf ihn hört. Das wäre im Sinne des Wettstreits nicht einmal schlecht und darum vielleicht sogar im Sinne des Dialektikers Schäuble. In der CDU ist jetzt viel von offener Debatte die Rede gewesen – nur die Debatte über die Stärken und Schwächen, die Vorzüge und Nachteile der Bewerber um den Parteivorsitz fand bestenfalls halboffen statt.

Dabei ist im Grunde jedem klar, worum es geht. Merz ist das Modell Volkstribun. Der Mann kann Marktplätze schwindlig reden und Parteitagshallen in brodelnde Arenen verwandeln; kaum jemand sonst in der aktuellen Politik kriegt das hin. Das ist keine kleine Qualität in Zeiten des großmäuligen Populismus.

Aber der 63-Jährige trägt, ob ihm das gerecht wird oder nicht, eine Geschichte als konservativer Flügelstürmer mit sich. Wer sich die Umfragen zu den Kandidaten anschaut, wird den Verdacht nicht los, dass das Volk, das ihn als Tribun verehrt, über den Kreis der CDU-Getreuen nicht weit hinausreicht. Tribunentum an sich ist keine Erfolgsgarantie; nähere Auskünfte erteilt aktuell die CSU.

In Kramp-Karrenbauer steckt definitiv keine geborene Volkstribunin. Die Saarländerin steht für den Versuch, die auseinanderstrebenden Kräfte in der Volkspartei CDU zusammen zu halten und den rivalisierenden Strömungen wieder mehr Eigenleben zu lassen. Auch das garantiert, selbst wenn es gelingt, nicht für Wahlerfolge. Aber zu den Wahrheiten, die in Teilen der CDU inzwischen als politisch höchst unkorrekt gelten, gehört eben auch, dass die Demobilisierung politischer Konkurrenten ein erfolgreiches Modell war. Die Wahlsieger der jüngeren Vergangenheit waren allesamt und unabhängig vom Parteibuch keine Menschen der scharfen Töne – Schäubles Heimat Baden-Württemberg lässt grüßen.

Je länger man also darüber nachdenkt, desto weniger ist die CDU zu beneiden um die Entscheidung, die sie treffen muss. Sie ist nicht so eindeutig, wie es Schäuble suggeriert. Aber der alte Fuchs ist auch nur einer von 1001 Delegierten. Seine Stimme hat Gewicht. Doch wägen müssen die 1000 anderen schon selbst.

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