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Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), hier am Kabinettstisch im Kanzleramt.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Pkw-Maut: Inspektion mit offenem Ausgang

Der Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut nimmt seine Arbeit auf. Er kann Verkehrsminister Andreas Scheuer gefährlich werden.

Von Robert Birnbaum

Wolfgang Schäuble könnte einiges erzählen über Zweck und Nebenzwecke eines Untersuchungsausschusses. Der Bundestagspräsident hat aber nicht zum Plaudern für Donnerstag in den Saal E200 des Paul-Löbe-Hauses geladen, sondern um den Maut-Untersuchungsausschuss förmlich auf den Weg zu bringen.

Der Untersuchungsauftrag umfasst 13 Punkte von der sehr allgemeinen Frage, was die CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer und Vorgänger Alexander Dobrindt „persönlich“ entschieden haben, um die letztlich gescheiterte Pkw-Maut durchzusetzen, bis zu Details von Vergabeverfahren und Risikoabschätzung. Nur das Hauptziel der Antragsteller steht nicht in der Bundestagsdrucksache 19/14290. Trotzdem kennt es jeder: FDP, Linke und Grüne wollen Scheuer in die Enge und den Rücktritt treiben.

Gelänge das, wäre es eine Premiere. Denn so unangenehm die Einbestellung auf den parlamentarischen Zeugenstuhl sein kann – noch keine der Hauptfiguren hat sie direkt das Amt gekostet. Einige wie Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mussten vorher gehen, andere wie FDP-Mann Otto Graf Lambsdorff in der Flick-Affäre erst, als ordentliche Gerichte sie verurteilten. Die 56 Untersuchungsausschüsse im Bundestag – die Sonderfälle mitgezählt, in denen der Verteidigungsausschuss sich selbst zum Untersuchungsgremium ernennt – produzierten Erkenntnisse, Bilder und sehr viel Papier. Ihr Jagderfolg blieb gering.

Vorgeblich spielt der ja auch keine Rolle. Amtlich versichert vor Beginn des Maut-Ausschusses der Vorsitzende Udo Schiefner (SPD), die Mitglieder seien „nicht Ankläger oder Verteidiger, sondern Aufklärer“ und der Ausschuss keine „Showbühne für Vorverurteilungen oder Verharmlosungen“.

Der U-Ausschuss ist immer auch die schärfste Waffe der Opposition

Davon ist so ziemlich das Gegenteil wahr. Der U-Ausschuss ist als doppelgesichtiges Zwitterwesen konstruiert. Ja, er soll die Wahrheit hervorbringen; sein Verfahren folgt dem Strafprozess, von der Aussagepflicht unter Eid bis zum Zeugnisverweigerungsrecht. Aber als „schärfste Waffe der Opposition“ ist er zugleich die Fortsetzung des politischen Kampfs mit anderen Mitteln.

Dass im Maut-Ausschuss der Kampf das Bild prägen wird, lässt sich unschwer vorhersagen. Das gilt praktisch immer, wenn Einzelne, eine Partei oder die Regierung als Ganzes im Zentrum der Untersuchung stehen: Vom Flick-Ausschuss über den Kohl-Spendenausschuss und die NSA-Untersuchung bis zur laufenden Prüfung der „Berater-Affäre“, in der der Verteidigungsausschuss die damalige Ministerin Ursula von der Leyen aufs Korn nahm. Seit die CDU-Frau ihren Häschern nach Brüssel abhanden kam, hört man von dem Gremium nicht mehr viel.

Beim KoKo-Ausschuss überwog tatsächlich das Aufklärungsinteresse

Am anderen Ende der Skala finden sich Vorbilder, bei denen tatsächlich das Aufklärungsinteresse überwog. Das galt etwa für den KoKo-Ausschuss, der Licht in die dunklen Geschäfte des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkoswki zu bringen versuchte. Eine der frühesten Ausschüsse „zur Überprüfung der Verhältnisse auf dem Gebiete des Kraftstoffbetriebs“ kam im Jahr 1950 sogar zu dem Schluss, dass er im Grunde überflüssig war: Man verzichtete auf einen Abschlussbericht, weil sich nichts ergeben hatte, was nicht schon in anderen Bundestagsprotokollen nachzulesen war.

Der laufende Amri-Ausschuss passt in die sachzentrierte Kategorie. Er soll klären, ob der Weihnachtsmarkt-Anschlag hätte verhindert werden können; wer für Versäumnisse verantwortlich war, wäre der zweite Schritt.

Die Hauptfigur wird als "Zeuge" geladen

In den eher „politischen“ Ausschüssen stehen Schuldige und Urteil vor der Verhandlung fest. Und so verläuft die dann auch. Die Hauptfigur wird als „Zeuge“ geladen, nimmt aber im Zeugenstuhl nicht Platz, solange Kameras im Saal sind – bloß nicht auf Bildern wirken wie ein Angeklagter! Oppositionsvertreter stellen Fallen und bohrende Fragen, Parteifreunde harm- oder sinnlose. Je näher das Thema des Tages dem kritischen Punkt der Untersuchung kommt, umso mehr Zeit vergeht mit Debatten über Formsachen oder darüber, ob die scharfe Frage der sehr verehrten Frau Kollegin nicht weit über den Untersuchungsauftrag hinausgeht. Das Filibustern verschafft dem Zeugen Zeit, sich die Antwort zurechtzulegen.

Kameras und Mikrofone sind im Saal nicht erlaubt

Vollends zum Theater wird es hinterher, wenn die Obleute der Parteien draußen vor dem Saal vor die Kameras treten. Was dort an Urteilen gesprochen wird – „entlastet“, „belastet“, „bewiesen“, „behauptet“ – hat mit dem Geschehen drinnen oft wenig zu tun. Doch im Saal sind Kameras und Mikrofone nicht erlaubt, nur Notizblöcke. Die Waffenungleichheit hat Folgen. Fernsehbilder prägen das öffentliche Urteil schneller und stärker als der abgewogene Sitzungsbericht.

Trotzdem – mehr als ein paar unangenehme Stunden hat der Zeugenstand noch keinen Spitzenpolitiker gekostet. Unter Andi Scheuers Parteifreunden glauben denn auch manche, dass der Ausschuss dem Bedrängten eher hilft. Das gemütliche Prozedere macht das Gremium berechenbar. Übersteht der CSU-Mann die eigene Vernehmung unfallfrei, ist er nach aller Erfahrung aus dem Schneider.

Aber sicher kann Scheuer nicht sein. Der Ausschuss kann Dokumente auswerten und Gesprächspartner über vertrauliche Treffen ausfragen. Er hat die Mittel, sich ein Bild zu machen, das vollständiger sein könnte als das bekannte. Ob ihm das gelingt, ist offen. Schäuble hätte erzählen können, wie der Kohl-Spendenausschuss trotz hohen Aufwands kaum mehr erbrachte als der Bericht, den er als CDU-Chef hatte fertigen lassen.

Doch Wolfgang Schäuble könnte auch berichten, dass Gefahr im scheinbar Nebensächlichen lauert. Er musste als CDU-Chef gehen, obwohl er nur am Rand mit Kohls Schwarzgeld-System in Berührung kam. Ihm wurde ein Patzer zum Verhängnis: Er hatte im Parlament nicht die Wahrheit gesagt.

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