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Gewinnertypen. Der Schatzmeister der Piratenpartei im Saarland, Andreas Augustin (v.l.), Michael Neyses (Piratenpartei) und der Beisitzer im Vorstand der Piratenpartei im Saarland, Michael Hilberer, posieren am Sonntagin Saarbrücken nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen.

© dapd

Piratenerfolg im Saarland: Gekommen um zu bleiben

Nach Berlin jetzt das Saarland: Die Piraten ziehen bei der zweiten Landtagswahl in Folge in ein Parlament ein. Protestwähler helfen der Partei dabei - ihre Mitglieder sehen den Anbruch eines neuen politischen Zeitalters.

Davon, was an diesem Abend anderswo so oft in Bezug auf die politische Großwetterlage zu hören war, wollten die Piraten nichts wissen: Dass die Saarlandwahl bundespolitisch nicht richtungsweisend sei - das mochten die Mitglieder der Newcomerpartei, die im Saarland die Fünf-Prozent-Hürde locker übersprang und nun bereits in zwei Landesparlamenten vertreten ist, zumindest für ihre spezielle Situation so nicht gelten lassen. "Willkommen im 21. Jahrhundert deutsche Politiklandschaft", twitterte der Berliner Piratenabgeordnete Christopher Lauer unmittelbar nach der 18-Uhr-Prognose. "Willkommen im 5-Parteien-System, liebe Republik", schrieb sein Kollege Fabio Reinhardt. Andere waren wortreich sprachlos: "Ich bin gerade einfach geflasht. 8%. Das Word noch groß, Leute. Groß", schrieb die scheidende Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband. Wenige Minuten später dann noch einmal: "Ich brauche noch eine Weile, um das zu verstehen. Ich bin einfach nur so stolz auf die Saarländer und uns alle."

Euphorisch zeigte sich auch Andreas Baum, Vorsitzender der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, die für die "Saarpiraten" im Landtagswahlkampf Schützenhilfe leistete. "Wir sind froh, dass wir jetzt vier Kollegen bekommen", sagte Baum gegenüber dem Tagesspiegel. Die Situation nach den aufeinanderfolgenden Wahlsiegen sei "krass". "So einen großen Umbruch hat es im politischen System Deutschlands lange nicht gegeben."

Mit ihrem Erfolg im Saarland haben die Piraten gleich mehrere Dinge bewiesen: Nicht nur können sie offenbar auch in einem eher ländlich geprägten Flächenland gewinnen, sie können sich offenbar auch in Windeseile für eine Landtagswahl aufstellen. Die Tatsache, dass sie dabei ein nach wie vor schmales Programm haben, das auch im Saarland wesentlich von der Forderung nach mehr Transparenz im politischen System geprägt war, hat ihnen zumindest in der Wählergunst nicht geschadet. Dabei muss es die Piraten auch zunächst einmal nicht stören, dass sie weniger aufgrund ihrer Inhalte, vielmehr aber aus Protest gewählt wurden. Laut Forschungsgruppe Wahlen wählten nur sieben Prozent die Partei aufgrund ihrer Programmatik, 85 Prozent aber wegen der Unzufriedenheit mit anderen Parteien.

Die Wahl im Saarland in Bildern:

Auch den Piraten war diese Tatsache am Wahlabend indes durchaus bewusst. "Das Scheitern der etablierten Partei hilft uns zur Zeit sehr", sagte Bernd Schlömer, stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei, dem Tagesspiegel. Das Zusammenklumpen einer "Einheitspartei" in der Mitte sei nicht Wille des Wählers, das habe gerade das Scheitern der Jamaika-Koalition im Saarland gezeigt. Dass die Piraten ihr eigentliches Ziel, einen programmatisch "langsamen Aufbau bis zur Bundestagswahl" nun, nach dem Votum für Neuwahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen, erst einmal hinten anstellen müssen, sieht Schlömer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die "einmalige Chance", mit dem Rückenwind aus Berlin und nun auch aus dem Saarland weitere Wahlsiege zu erringen, werde sich die Partei natürlich nicht entgehen lassen.

Dass der Instant-Wahlkampf Kraft gekostet hat, daraus machten die Piraten bereits im Vorfeld des Wahlabends keinen Hehl. „Wir machen drei Kreuze, wenn der Wahlkampf vorbei ist“, sagte am Samstag Michael Hilberer, Spitzenkandidat im Wahlkreis Neunkirchen. Die vergangenen Wochen seien ihm „an die Substanz“ gegangen. Begonnen hatte der Wahlkampf für die Piraten damit, dass sie erst einmal Unterstützerunterschriften sammeln mussten, um überhaupt antreten zu dürfen. 900 Unterschriften waren nötig, drei Tage brauchten die Piraten, um mehr als tausend zusammen zu bekommen.

Personell sind die Piraten für ihre neue Aufgabe gut aufgestellt. „Wir haben unsere Liste großzügig befüllt“, sagte Hilberer vor der Wahl. „Damit es knapp wird, müssten wir um die 25 Prozent bekommen.“ Mit den vier Sitzen, die die Piraten im kommenden Landtag haben werden, ist indes ein Kuriosum nur knapp vermieden: Beinahe wäre nämlich Spitzenkandidatin Jasmin Maurer, deren Nominierung viel Druck von den Saarpiraten bezüglich der in und anhand der Piratenpartei immer wieder heiß diskutierten Geschlechterfrage nahm, nicht in den Landtag eingezogen. Das liegt an einer Besonderheit im Wahlrecht des Saarlands: Zunächst kommen die Spitzenkandidaten der drei Wahlkreise zum Zuge, sind danach noch Plätze zu vergeben, greift, wie nun im Fall Maurer, die Landesliste.

Einziger Beinahe-Wermutstropfen, der den Piraten an der Saar nun bleibt, sind die fehlenden Machtoptionen: "Wenn wir an Wahlen teilnehmen, sollten wir auch das Interesse und den Mut haben, an Regierungen teilzunehmen", sagte Bernd Schlömer gegenüber dem Tagesspiegel. Gegenüber möglichen Optionen mit SPD, Grünen und/oder Linken hatten sich die Saarpiraten jedoch bereits im Vorfeld skeptisch gezeigt. Am Wahlabend kündigte Landesvorstand Michael Hilberer eine „konstruktive Oppositionsarbeit“ an. "Wir müssen jetzt erstmal Arbeitsfähigkeit herstellen", sagte Hilberer im ZDF. Danach könne man sich daran machen, die ersten Ziele der Piratenpartei etwa durch Änderungen in der Geschäftsordnung des Landtages zu verwirklichen. Worum es dabei gehen soll? Natürlich um mehr Transparenz.

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