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Punktet beim Impfen: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu.

© imago images/UPI Photo

Pflege der Beziehungen: Israels Impfdiplomatie

Premier Benjamin Netanjahu belohnt Verbündete mit Vakzinen – die Palästinenser in den besetzten Gebieten müssen dagegen warten.

Die Coronakrise hat einen neuen Begriff hervorgebracht: Impfdiplomatie. Und Israel ist nicht nur beim Impfen ganz weit vorne, sondern auch bei der damit verbundenen Diplomatie sehr aktiv. Wie diese Woche bekannt wurde, spendet das Land Tausende überschüssige Impfdosen des US-Herstellers Moderna an verbündete Staaten.

Zwar macht die Regierung keine Angaben über die Empfänger, doch Medienberichten zufolge handelt sich dabei vorwiegend um Länder, die ganz Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt haben – entgegen der vorherrschenden Sicht, der zufolge der Ostteil der Stadt als Hauptstadt eines zukünftigen Palästinenserstaates dienen soll.

Nachdem israelische und internationale Medien am Dienstag über die Impfspenden berichtet hatten, bestätigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dies am Mittwoch. Israel verfüge über „mehr als genug Vakzine“, erklärte er, deshalb habe er entschieden, einigen verbündeten Staaten eine symbolische Anzahl zu senden – „im Gegenzug zu Dingen, die wir bereits bekommen haben“, wie er kryptisch hinzufügte.

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Mit Berufung auf ungenannte Quellen wurden israelische Medien konkreter: Rund 100 000 Impfstoffdosen des US-Herstellers Moderna soll Israel laut Berichten des öffentlich-rechtlichen Senders Kan an etwa 15 Staaten schicken. Dazu zählen Honduras, Guatemala, Ungarn und Tschechien – allesamt Länder, die ihre Botschaft in Jerusalem unterhalten oder zumindest die Bereitschaft bekundet haben, eine diplomatische Vertretung dort zu eröffnen.

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Die meisten Staaten, die mit Israel Beziehungen pflegen, darunter sämtliche Mitglieder der EU, haben ihre Botschaft in Tel Aviv. Damit tragen sie dem umstrittenen Status Jerusalems Rechnung, der aus ihrer Sicht in Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden sollte. Jahrelang hatten auch die USA diese Haltung vertreten. US-Präsident Donald Trump brach 2018 jedoch damit, indem er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte.

Guatemala tat es den Amerikanern gleich, Honduras hegt ähnliche Absichten. Ungarn wiederum eröffnete 2019 ein Konsulat in Jerusalem, und Tschechien will in diesem Jahr nachziehen. Auf der Liste der Begünstigten sollen außerdem afrikanische Staaten stehen, darunter der Tschad, der 2019 diplomatische Beziehungen mit Israel aufnahm, und Mauretanien, dem ähnliche Absichten nachgesagt werden.

Über die Hälfte aller Israelis hat bereits mindestens eine Impfung gegen Covid-19 erhalten. Kein anderes Land hat einen ähnlich großen Anteil seiner Bevölkerung geimpft. Kritiker, darunter einige Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, fordern Israel seit Monaten auf, die Palästinenser im Westjordanland und Gaza ebenfalls mit Impfstoffen zu versorgen; als Besatzungsmacht sei Israel gemäß der Genfer Konvention dazu verpflichtet.

Die israelische Regierung wiederum verweist auf die Oslo-Verträge, die das Verhältnis zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) regeln und Letzterer die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung zuschreibt.

Bisher hat Israel den Palästinensern 2000 Impfdosen übermittelt und weitere 3000 in Aussicht gestellt. Netanjahu sagte diese Woche, weitere Lieferungen könnten dazukommen. „Es ist empörend, dass Netanjahu überschüssige Vakzine benutzt, um seine ausländischen Verbündeten zu belohnen, während so viele Palästinenser in den besetzten Gebieten noch immer warten“, schrieb der linke US-Senator Bernie Sanders auf Twitter.

Selbst für Assad kaufte Israel Impfstoff

Auch innenpolitisch gab es Gegenwind. Dass Netanjahu ohne parlamentarische Debatte über die „Impfstoffe israelischer Bürger“ verfüge, zeige, „dass er denkt, er führt ein Königreich, keinen Staat“, sagte Verteidigungsminister Benny Gantz.

Es ist nicht das erste Mal, dass Israels Regierung Impfstoff zu diplomatischen Zwecken einsetzt: Vergangene Woche wurde bekannt, dass sie dem Assad-Regime in Syrien mithilfe russischer Vermittlung Tausende Impfdosen in Aussicht gestellt hat, um eine israelische Zivilistin zu befreien, die aus ungeklärten Gründen zwei Wochen zuvor zu Fuß die Grenze nach Syrien überquert hatte.

Im Gegenzug für ihre Freilassung versprach Israel dem feindlichen Nachbarland nicht nur, zwei syrische Hirten zurückzuschicken, die die Grenze in die andere Richtung überquert hatten. Israel stimmte außerdem zu, mehrere Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V für Syrien zu kaufen.

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