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Wegen Corona als digitale Konferenz: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Rede beim Petersberger Klimadialog.  

© Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Petersberger Klimadialog: Merkel will nicht am Klimaschutz sparen

Wie stark sollen die Emissionen in der EU bis 2030 sinken? Die Kanzlerin unterstützt höhere Ziele, ohne sich genau festzulegen. Wegen Corona das Klima hintanzustellen, kommt für sie nicht infrage.

Klimapolitisch ist es gerade das schwierigste Thema in der Europäischen Union: Wie stark sollen die Emissionen von Klimagasen bis 2030 sinken? Beim Petersberger Klimadialog hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht festgelegt, obwohl Umweltorganisationen im Vorfeld hohen Erwartungsdruck dafür aufgebaut hatten. Doch Merkel muss Rücksicht darauf nehmen, dass die schwierigen Verhandlungen über das neue EU-Ziel bald unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft geführt werden.

Eine frühe Festlegung hätten Bremser vor allem in Osteuropa wohl als Affront aufgefasst. Die Kanzlerin sagte lediglich, dass sie den Vorschlag der EU-Kommission begrüße, die Emissionen um 50 bis 55 Prozent zu senken. Die fünf Prozentpunkte Unterschied scheinen zunächst nicht viel zu sein. Doch Ansprüche bei der Umsetzung steigen mit jedem Prozentpunkt überproportional. Deshalb ist auf EU-Ebene demnächst mit einem harten Poker um die Entscheidung zu rechnen.

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Erwartbar war Merkels Zustimmung zu Plänen der EU, auch den Flug- und den Schiffsverkehr in den Emissionshandel mit Kohlendioxid einzubeziehen. Ähnlich hatte sie sich bereits am Samstag in ihrem Videopodcast geäußert. Damit gibt Merkel EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Rückendeckung, die entsprechende Pläne bereits bei ihrer Bewerbungsrede vor dem EU-Parlament angekündigt hatte. Für den Klimaschutz wird das nicht allzu viel bringen, Flug- und Schiffsverkehr machen je nur rund zwei Prozent aller Emissionen weltweit aus. Gleichwohl wird die Umsetzung auf Widerstand der beiden Branchen stoßen. Merkels Aussage ist deshalb politisch wichtig.

Nicht am Klimaschutz sparen

Eine ganz klare Absage erteilte Merkel Forderungen aus Teilen der Industrie, Klimaschutz wegen der Coronakrise hintanzustellen. Sie sagte: „Es wird eine schwierige Verteilungsdiskussion geben. Umso wichtiger wird es sein, wenn wir Konjunkturprogramme auflegen, immer den Klimaschutz ganz fest im Blick zu haben und deutlich zu machen, dass wir nicht etwa an Klimaschutz sparen, sondern immer in zukunftsfähige Technologien investieren.“

Oxfam fordert Absage an Autobranche 

Umweltorganisationen erwarten jetzt Konsequenzen: „Ihren wichtigen Appell für eine klimakompatible Wiederbelebung der Weltwirtschaft nach der Corona-Krise kann Angela Merkel gleich einem Glaubwürdigkeitstest unterziehen. Das hieße beispielsweise, nächste Woche auf dem geplanten Autogipfel klarstellen, dass es für Verbrennungsmotoren keine Kaufprämien aus Steuergeldern geben wird und die europäischen Effizienzstandards keinesfalls gelockert werden“, sagte Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam. Anschließend müsse sie den Deckel auf den Ausbau der Solarenergie kassieren und die Abstandsregelungen bei der Windkraft so gestalten, dass wieder deutliche Zubauraten bei der Windenergie möglich werden.

Wichtiges Signal nach Verschiebung der UN-Klimakonferenz

Der Petersberger Klimadialog fand wegen der Coronakrise als digitales Treffen statt. Ein echter Gipfel, bei dem man schwierige Punkte von Angesicht zu Angesicht besprechen kann, war es also nicht. Trotzdem wurde die Veranstaltung als wichtiges Signal gewertet, weil nach der Verschiebung der Klimakonferenz in Glasgow wenigstens dieser Gipfel turnusgemäß stattfand.

Guterres sieht reiche Länder in der Pflicht

Der öffentliche Teil bestand am Dienstag aus Videostatements von Staats- und Regierungschefs. Neben Merkel war UN-Generalsekretär Antonio Guterres der Hauptredner. Er appellierte an die EU, bei der Bekämpfung der Klimakrise weiter eine Führungsrolle einzunehmen. Den Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise hätten nun mal die Länder mit den meisten Emissionen, sagte der Guterres mit Blick auf die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.

Aktuelles Klimaziel gilt als überholt

Das aktuelle Ziel der EU von minus 40 Prozent bei den klimaschädlichen Emissionen wird als überholt angesehen. Es ist angesichts des schnell fortschreitenden Klimawandels zu niedrig und es ist auch zu leicht erreichbar. Denn nach Berechnungen der EU-Kommission sind allein schon mit den 2018 beschlossenen neuen EU-Gesetzen fürs Energiesparen und den Ausbau der erneuerbaren Energien fast 50 Prozent erreichbar.

Verhandlungen im September

Kommissionspräsidentin  von der Leyen hatte deshalb angekündigt, dass das neue Ziel 50 oder 55 Prozent Minderung im Vergleich zu 1990 betragen soll. Im September will die Kommission zunächst eine Abschätzung vorlegen, ob eine Verschärfung vertretbar oder sogar vorteilhaft wäre. Danach beginnen die Verhandlungen. 

"EU-Staaten spielen auf Zeit"

Ob diese noch unter der deutschen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden können - sie dauert von Juli bis Dezember - hängt nicht zuletzt vom Verhandlungsgeschick der Bundeskanzlerin ab. „Sie dürfte sich deshalb beim Petersberger Klimadialog kaum öffentlich auf einen konkreten Reduktionskorridor festlegen“, hatte der Klimaexperte der Stiftung für Wissenschaft und Politik, Oliver Geden, dem Tagesspiegel vorher gesagt. Was die Folgenabschätzung in etwa ergeben werde, wüssten die Mitgliedsstaaten natürlich, sagte Geden weiter. „Aber sie spielen auch auf Zeit.“

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