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Angela Merkel hält die Grundsatzrede beim diesjährigen Petersberger Klimadialog und könnte die Richtung weisen.

© dpa

Petersberger Klimadialog in Berlin: Angela Merkel soll wieder der Umwelt helfen

Beim diesjährigen Petersberger Klimadialog bekommt Angela Merkel eine zweite Chance, um sich als "Klimakanzlerin" zu beweisen. Dabei steht die deutsche Position in der Kritik, Europas Vorreiterrolle im Klimaschutz aufzugeben.

Am heutigen Montagmorgen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Gelegenheit, sich noch einmal als „Klimakanzlerin“ in Erinnerung zu rufen – oder auch nicht. Sie wird zur Eröffnung des 4. Petersberger Klimadialogs, einem informellen Ministertreffen mit Vertretern aus 35 Ländern, eine Grundsatzrede halten. Bis Dienstag wollen die europäischen Umweltminister gemeinsam mit hohen Beamten aus den Schwellenländern, den USA und wichtigen Entwicklungsländern darüber beraten, wie ein Klimaabkommen aussehen könnte, das bis 2015 ausgehandelt sein soll. Ende 2013 wird der nächste Weltklimagipfel in Warschau stattfinden. Die Erwartungen an diesen Gipfel sind allerdings gedämpft, obwohl der polnische Umweltminister Marcin Korolec gemeinsam mit Umweltminister Peter Altmaier (CDU) die Berliner Konferenz leiten wird.

Die Erwartungen an Merkels Rede sind hoch. Denn schließlich ist es vor allem der Unfähigkeit der deutschen Bundesregierung, eine Stabilisierung des europäischen Emissionshandels zu unterstützen, zu verdanken, dass die entscheidende Abstimmung im Europaparlament darüber vor ein paar Wochen keine ausreichende Mehrheit für eine Stützung des Handels mit Kohlendioxid-Zertifikaten erbracht hat. Sven Harmeling von Germanwatch berichtet deshalb auch von der am Freitag zu Ende gegangenen ersten offiziellen Verhandlungsrunde für den Warschauer Gipfel in Bonn, dass es viel Kritik an der deutschen Nichtpositionierung zum Emissionshandel gegeben habe.

International werde das als Signal verstanden, dass Europa seine Vorreiterrolle im Klimaschutz aufgebe. Harmeling fordert von Merkel, sie solle „den Klimaschutz nicht dem Koalitionsfrieden opfern“. Wie berichtet hat Peter Altmaier den Vorschlag der EU-Kommission, zumindest einmal 900 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate vom Markt zu nehmen – der gesamte Überschuss liegt bei gut zwei Milliarden Tonnen – auch öffentlich mehrfach unterstütz. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dagegen hält den Emissionshandel trotz der hohen Überkapazitäten an Kohlendioxid für einen „funktionierenden Markt“, in den nicht eingegriffen werden dürfe. Das Kabinett hat sich wegen dieses Zerwürfnisses gar nicht zu der Frage positioniert. Der polnische Umweltminister Marcin Korolec ist übrigens auch ein entschiedener Gegner einer Stabilisierung des Emissionshandels.

Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, sieht die Bonner Verhandlungsrunde dennoch positiv. Es sei konstruktiv darüber diskutiert worden, wie die Klimaschutzbemühungen verstärkt und beschleunigt werden könnten, sagte sie. Allerdings bewegt sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre derzeit auf ein „gefährlich hohes Niveau“ zu, sagte sie. Nach jüngsten Messungen steht die Schwelle von 400 ppm (Teilchen CO2 pro eine Million Teilchen) kurz bevor. Diese Schwelle gilt in der Wissenschaft als zumindest noch mit einer 50-prozentigen Sicherheit vereinbar mit dem Ziel, die globale Erwärmung im Durchschnitt auf unter zwei Grad im Vergleich mit dem Beginn der Industrialisierung um 1850 herum zu halten. Jenseits der zwei Grad steigt das Risiko von Veränderungen, die schwer vorhersagbar und sehr schnell, vor allem aber nicht rückgängig zu machen sein können.

Sollte beispielsweise der Eisschild von Grönland so schnell und sich immer mehr selbst beschleunigend in Gang gesetzt worden sein, könnte das innerhalb von einigen hundert Jahren zu einem um etwa sieben Meter erhöhten Meeresspiegel führen. Und einmal in Gang gesetzt, ließe sich die Eisschmelze auf Grönland nicht mehr stoppen. Wo genau der Kipp-Punkt für diesen Prozess liegt, ist schwer einschätzbar, aber das Risiko steigt jenseits der zwei Grad beträchtlich. Deshalb sagt der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber, auch: „Alle Kosten-Nutzen-Analysen und das Vorsorgeprinzip rechtfertigen das politische Zwei-Grad-Ziel.“ Er wird am Montagabend eine Rede vor den Teilnehmern des Petersberger Klimadialogs halten.

USA uns Großbritannien: Geoengineering als Ausweg aus der Klimakrise

Eben weil die Klimaverhandlungen so schleppend verlaufen, und das Thema wegen der globalen Finanz- und Schuldenkrisen in der Bedeutung nach unten gerutscht ist, werden inzwischen viele Möglichkeiten diskutiert, wie auch ohne globale Vereinbarungen schnelle Erfolge erzielt werden können. Ein Beispiel dafür ist die Bekämpfung von Russ als einem Treiber des Klimawandels. Denn zum einen haben aktuelle Studien ergeben, dass der Anteil von Ruß an der Erwärmung deutlich höher ist, als zunächst vermutet. Zum anderen verweilen Rußpartikel nicht ansatzweise so lange in der Atmosphäre wie Kohlendioxid, das dort rund 30 Jahre wirksam bleibt. Ruß verschwindet nach ein paar Wochen, Methan innerhalb weniger Jahre. Es lohnt sich also Kochherde in Entwicklungsländern, in denen Holz, Holzkohle oder  Dung verbrannt wird, durch klimafreundlichere und energieeffizientere Modelle auszutauschen. Und es lohnt sich, Lecks in Gaspipelines oder Gaslagerstätten in den Griff zu bekommen.

Darüber hinaus wird insbesondere in den USA und Großbritannien seit einigen Jahren immer intensiver über technische Lösungen als Ausweg aus der Klimakrise verhandelt. Doch den Beitrag von Geoengineering zur Lösung des Klimaproblems hält Mark Lawrence, Forschungsdirektor des Nachhaltigkeitsinstituts IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) in Potsdam derzeit für "sehr begrenzt". Er schätzt insbesondere Technologien kritisch ein, die versuchen, die Sonneneinstrahlung so zu beeinflussen, dass weniger Sonnenstrahlen auf der Erde ankommen (Solar Radiation Management, SRM).

"Das könnte allenfalls in der weiteren Zukunft die Auswirkungen des Klimawandels zeitlich etwas verschieben, jedoch mit großen Nebenwirkungen“, sagte Lawrence dem Tagesspiegel. Ein höheres Problemlösungspotenzial sieht Lawrence in Technologien, die Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen sollen. Damit könnten die Folgen des Klimawandels gemildert und langfristig auch Folgeprobleme wie die Versauerung der Ozeane vermindert werden. Allerdings sind diese Technologien noch nicht allzu weit entwickelt und in der aktuellen Situation "helfen sie auch nicht beim Grundproblem, nämlich einem zu hohen Treibhausgasausstoß" der Welt.

Obwohl in der Diskussion über Geoengineering häufig der Einwand auftaucht, es handele sich um Technologien, mit denen Gott gespielt werden könne, haben die meisten Religionsgemeinschaften noch kaum in diese Diskussion eingegriffen. Das überrascht Mark Lawrence. Er hat nach einem Workshop mit Theologen christlicher Kirchen, Vertretern des Judentums, des Daoismus sowie des Buddhismus den Eindruck, "dass sie alle Geoengineering negativ sehen, aber auch noch nicht umfassend informiert sind". Genau da sieht Lawrence eine Aufgabe für das IASS. Denn mit dem Klimawandel haben sich die meisten Religionsgemeinschaften bereits intensiv beschäftigt und kritisieren seine Folgen vor allem für die Armen. "Wir wollen den Dialog mit den Glaubensgemeinschaften fortsetzen. Ein Anfang ist gemacht", sagte er dem Tagesspiegel.

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