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Schulstreik für Klimaschutz. Mehrere hundert Schüler und Schülerinnen protestieren vor dem Reichstagsgebäude in Berlin für eine bessere Klimapolitik.

© imago/Christian Mang

Persönlicher Klimawandel nach Kattowitz: Altmaier entdeckt den Umweltschutz

Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) überrascht nach Kattowitz mit neuem Klimaschutz-Ehrgeiz – doch viele nehmen ihm das nicht ab.

Deutschland brauche „einen neuen Anlauf durch Politik und Wirtschaft“ bei der Klimapolitik, „sonst versündigen wir uns an der Zukunft der jungen Generation“ – diese Worte stammen nicht von den Grünen. Sie kommen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker äußerte sich, nachdem im polnischen Kattowitz der Klimagipfel geendet hatte. Richtig gemacht könne Klimaschutz mehr Arbeitsplätze schaffen, als er koste, sagte Altmaier.

Das überrascht. Noch vor wenigen Tagen polterte Altmaier im ZDF, Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) könne auf der Klimakonferenz in Kattowitz beschließen, was sie wolle. Am Ende würde ohnehin die Bundesregierung entscheiden. Das war, nachdem Schulze zusammen mit Kanada, den Marshall-Inseln, Äthiopien und anderen Staaten mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz gefordert hatte, ohne allerdings konkreter zu werden.

Heftig kritisierte der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin Altmaiers Aussagen. Das Wirtschaftsministerium würge die Industrie der erneuerbaren Energie in Deutschland ab. „Wenn Bundeswirtschaftsminister Altmaier von Arbeitsplätzen redet, dann muss ich ihn darauf hinweisen, dass allein in der Photovoltaik-Industrie in den letzten drei Jahren über 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegangen sind, aufgrund seiner Politik.“ Wenn Altmaier anfangen wolle, in den Klimaschutz zu investieren, müsse er eine 180-Grad-Wende hinlegen. „Bisher hat er sich eher als Abrissbirne der Energiewende verstanden“, sagte Trittin.

Im SPD-geführten Bundesumweltministerium kommen Altmaiers Worte hingegen gut an. Das Haus will 2019 ein Klimaschutzgesetz vorlegen, da freue man sich über jede Unterstützung, besonders über die des Wirtschaftsministers, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Ein bisschen Schadenfreude wird da auch dabei sein, schließlich hat Altmaier seiner Kabinettskollegin Schulze das Leben in der Vergangenheit schwer gemacht. So hatte sich Schulze schon mehrmals für die Einführung eines zusätzlichen Preises auf Benzin und Heizöl ausgesprochen, damit der Ausstoß von Emissionen im Verkehrs- und Wärmebereich teurer wird. Verbraucher hingegen sollen beim Strompreis entlastet werden. Altmaier aber hatte immer betont, dass man zwar über alle Instrumente sprechen könne, aber der CO2-Preis sei derzeit kein Thema. Auch die Mehrheit der Union lehnt ihn ab.

Merkel scheint für eine CO2-Abgabe plötzlich aufgeschlossener zu sein

Doch könnte die Klimakonferenz in Kattowitz nun die Situation geändert haben. Denn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheint beim Thema CO2-Abgabe plötzlich aufgeschlossener zu sein. „Alle Regelungsvorschläge werden innerhalb der Regierung eingehend zu prüfen sein“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Man wolle zunächst die Arbeit der Kommissionen zum Kohle-Ausstieg und im Verkehrssektor abwarten. „Wir werden das dann diskutieren müssen“, kündigte Seibert an. Das Umweltministerin arbeitet derzeit an einem Konzept für einen CO2-Preis. „Wichtig ist, dass es sozial fair ausgestaltet ist. Die unteren Einkommensklassen dürfen nicht stärker belastet werden“, heißt es von Schulzes Sprecher.

Auch die Kohle-Kommission deren Abschlussbericht für Anfang Februar erwartet wird, hatte sich in ersten Textentwürfen für die CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmebereich ausgesprochen. Im Zuge dessen solle das gesamte Energiesteuersystem reformiert werden, heißt es in dem Papier. Bei Altmaiers neuem Klimaschutzehrgeiz würden die Chancen gut stehen, dass das Instrument tatsächlich kommt. Doch aus der Kommission sind Zweifel zu hören.

Man nehme ihm die vielen Versprechungen eigentlich nicht mehr ab, sagt ein Mitglied der Kommission, weil in der Vergangenheit auch nichts gekommen sei. Aber Altmaier könne sich ja beweisen, wenn die Bundesregierung im Februar über das Abschlusspaket der Kohle-Kommission entscheide.

In der Union hat man indes eine ganz eigene Interpretation von Altmaiers Worten. Auf Anfrage des Tagesspiegel kommentiert der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer: „Über einen Neustart in der Klimapolitik mit mehr Markt und weniger Planwirtschaft sollte man in der Tat nachdenken.“ Nun ist freilich der CO2-Preis auch ein marktwirtschaftliches Instrument, da es zwar ein Preissignal setzt, Unternehmen und Verbrauchern in ihren Entscheidungen aber freie Wahl lässt.

Während die Politik streitet, haben rund 300 Schüler am Wochenende in Berlin für mehr Klimaschutz gestreikt. Und sie wollen weitermachen, wenn nichts passiert.

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