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So inszeniert er sich am liebsten: Donald Trump am Donnerstag vor dem Weißen Haus in Washington D.C.

© Brendan Smialowski / AFP

Parteitag der Republikaner im Chaos-Land: Donald Trump - der Brandstifter als Feuerwehrmann

Es wirkt wie Hohn, wenn Trump in apokalyptischer Rhetorik vor der Wahl seines Kontrahenten Joe Biden warnt. Wer hat denn das Chaos verursacht? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Der Kontrast könnte schärfer kaum sein. Hier ein selbstbewusster, angriffslustiger Präsident. Einstimmig ist er zum Präsidentschaftskandidaten nominiert worden. Vor der Kulisse des Weißen Hauses, umringt von seiner Familie und bejubelt von mehr als tausend Anhängern, hält er die Abschlussrede des Parteitags hält. Und dort – ja, was dort?

Wer in diesen Tagen auf Amerika schaut, braucht ein sonniges Gemüt, um nicht depressiv zu werden:

  • Kalifornien brennt
  • Hurrikan „Laura“ wütet
  • Die Zahl der Corona-Toten hat die Marke von 180.000 überschritten – mehr als in jedem anderen Land
  • In vielen Städten explodiert aufgestauter Zorn: Was mit Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus begann, erfährt eine unheilvolle Aufladung durch bewaffnete Milizen, die sich den Demonstranten in den Weg stellen. Es gibt Tote und Verletzte, beinahe täglich
  • Sportler weigern sich, ihre Spiele auszutragen
  • Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, die Wirtschaft stagniert

Heiterer wird das Gemüt auch dann nicht, wenn der Blick sich weitet. Nordkoreas Kim Jong-un lässt ebenso unbeirrt an der Bombe basteln wie das Regime in Teheran. Das Verhältnis zwischen den USA und China steht kurz vor „kriegerisch“. Die Nato ringt um Zusammenhalt, wie die aggressiven türkisch-griechischen Scharmützel illustrieren. Das weite Feld des Transatlantischen wirkt wie ausgetrocknet. Eine wirksame Klimapolitik scheitert auch an der Ignoranz der amtierenden US-Administration.

Gerechtigkeit ist selten geworden in der Politik

Donald Trump kann nichts für Naturkatastrophen und Pandemien. Aber er wird daran gemessen, wie er auf solche Ereignisse reagiert. Klug oder panisch? Abwägend oder aktionistisch? Stets entschied er sich für die schlechtere Variante. Ginge es gerecht zu auf der Welt, müsste dem US-Präsidenten sein eigener Laden um die Ohren fliegen. Er würde mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt. Aber Gerechtigkeit ist selten geworden in der Politik. Auch das gehört zum Erbe des Populismus.

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Eilends schlüpft der Brandstifter in die Rolle des Feuerwehrmannes. Trumps Botschaft lautet: Jetzt, wo die Flammen flächendeckend lodern, brauche das Land einen starken Mann wie ihn, um sie zu löschen. Vergessen gemacht werden soll der kausale Nexus zwischen dem Mann und den Feuern. Dabei war er es, der den gesellschaftlichen Frieden aufgekündigt und Lunte gelegt hat an so ziemlich alle Institutionen und internationale Abmachungen.

Durch ihn wurden Rassismus und Sexismus zu lässlichen Sünden, die folgenlos bleiben. Er ist es, der Verschwörungsmythen über angebliche Intrigen eines „tiefen Staates“ verbreitet.

Biden muss fragen: Wer ist verantwortlich?

Es wirkt daher wie Hohn, wenn Trump nun in apokalyptischer Rhetorik vor den Folgen einer Wahl seines Kontrahenten Joe Biden warnt. Wenn er die Bilder „seines“ Amerikas als unvermeidbare Realität darstellt, sollten die Demokraten an die Macht kommen. Trump selbst hat das Chaos fabriziert, von dem er hofft, bei der Wahl zu profitieren. Denn er weiß: Chaos ist der Dünger, der die Sehnsucht nach einer zur Not skrupellosen Autorität gedeihen und blühen lässt.

Biden muss diese Gleichung durchkreuzen. Auf das Risiko hin, penetrant zu wirken, sollte er immer wieder fragen: Wer hat das Land knapp vier Jahre lang regiert? Wer ist verantwortlich? Wer muss Rechenschaft ablegen? Der Brandstifter als Feuerwehrmann: Das wäre eine Pointe, auf die sich verzichten ließe.

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