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Der Saal tobt. Der Auftritt von Michelle Obama war der bisherige Höhepunkt des Parteitags der Demokraten. Der Ehefrau des US-Präsidenten warb eindringlich für ihren Mann.

© AFP

Parteitag der Demokraten in Charlotte: Bühne frei für Amerikas Traum

Die Stimmung beim Parteitag der Demokraten ist enthusiastisch – auch dank Michelle Obama.

Welch ein Unterschied zum Parteitag der Republikaner, optisch und akustisch! Die Demokraten, die sich in Charlotte versammelt haben, um Barack Obama für eine zweite Amtszeit zu nominieren, sind jünger und ethnisch diverser. Der Anteil der Frauen, der Schwarzen und der Latinos ist unübersehbar größer. Vom ersten Tag ihrer „Convention“ an sind Begeisterung und Energie zu spüren. Die Konservativen hatten zwei Tage Anlauf gebraucht, um in Stimmung zu kommen.

Zum Auftakt am Dienstag schickten die Demokraten politische Schwergewichte und erprobte Entertainment-Stars in die Arena: beliebte Gouverneure wie Patrick Deval (Massachusetts) und Martin O’Malley (Maryland); populäre Bürgermeister wie Cory Booker (Newark) und Julian Castro (San Antonio). Dazu haben sie eine weibliche Wunderwaffe: Michelle Obama. Die First Lady hat die verbreitete Enttäuschung über die Bilanz ihres Mannes unbeschadet überstanden. Sie ist fast doppelt so beliebt wie Ann Romney, die Frau des Gegenkandidaten.

Als Schlussrednerin in der Nacht zu Mittwoch gelang ihr erneut das Kunststück: Sie hielt eine hochpolitische Werberede für ihren Mann, ohne mit ihren Worten Anlass für den Vorwurf zu geben, dass sie überhaupt über Parteipolitik spreche. Sie erzählte vom Menschen Barack, seiner Kindheit, seinem Idealismus und wie sich daraus eine verlässliche Werteordnung ergeben habe. Er sei derselbe geblieben, in den sie sich vor zwei Jahrzehnten verliebt habe, und lasse sich auch durch das Amt des Präsidenten mit all seiner Macht und all seinen Versuchungen nicht korrumpieren.

Bildergalerie: Enthusiasmus auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte

So entstand ein bildreich ausgeschmückter Gegenentwurf zu Mitt Romney, dem Millionär und angeblich mitleidlosen Haushaltssanierer, ohne dass sie seinen Namen auch nur einmal erwähnte. Ihr Mann habe nie vergessen, woher er komme und wie sich Armut anfühle. Sie schilderte Barack als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die zeitweise von Lebensmittelmarken lebte. Er konnte nur dank staatlicher Förderung studieren. Solche Programme wollen die Republikaner kürzen. Auch das sprach sie nicht aus. Das durfte sich jeder Zuhörer selbst denken. Der American Dream müsse für alle möglich bleiben, sagte sie. Barack habe die Chance genutzt. Er sei keiner, der die Tür hinter sich zuschlägt, sobald er oben angekommen ist. Er will jedem dieselbe Chance geben, die ihm geschenkt wurde.

Mit der Art, wie Michelle ihr eigenes Leben und das mit Barack schildert, können sich viele Amerikaner identifizieren. Arbeitsdisziplin: Ihr Vater, ein Pumpenarbeiter im Wasserwerk von Chicago, erkrankte an Multiple Sklerose, ging aber weiter zur Arbeit, zum Schluss auf Krücken. Familie: Für die Kinder tut man alles, gibt sich mit manchem zufrieden, auch rostigen Autos, durch deren Löcher im Boden man den Asphalt sehen kann. Das Geld geht lieber in eine gute Ausbildung der Kinder. Für Michelle ist ihr Job als „Mom in chief“ das Wichtigste überhaupt, wichtiger als der Glanz des Weißen Hauses. Das war auch ein Werben um die größte Wählergruppe: die Frauen. Nebenbei erwähnte sie den „Lilly Ledbetter Act“, Obamas Gesetz zur fairen Bezahlung von Frauen. Ihr Auftritt versetzte die vielen Tausend im Kongresszentrum in Ekstase. Immer wieder skandierten sie „Four more years“ – der Ruf nach einer zweiten Amtszeit für Obama.

Zuvor hatte Julian Castro die Stimmung aufgepeitscht. Der 37-jährige Bürgermeister von San Antonio ist der erste Latino, der als abendlicher Hauptredner auf einem Parteitag sprechen darf. Das zeigt die wachsende – und möglicherweise wahlentscheidende – Bedeutung der Latinos in Swing States wie Florida, Colorado und Nevada. Sie sind inzwischen die mit Abstand größte Minderheit, wählen überwiegend die Demokraten, beteiligen sich aber nur zu gut 40 Prozent an Wahlen. Gelingt es den Demokraten, mehr von ihnen an die Urnen zu bringen, kann das Obama den Sieg bringen.

Laut Castro geht es um eine Richtungswahl. Wenn er über Obamas Pläne sprach, flogen blaue Schilder „Vorwärts!“ in die Höhe. Wenn er Romney erwähnte, waren es rote Schilder „Kein Zurück“, und ein lautes „No!“ füllte die Arena.

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