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Sitzung der Linksfraktion im Bundestag: Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch, Jan Korte und Katja Kipping (von links).

© imago images/Christian Thiel

Parteichefin Kipping „alles andere als amüsiert“: Linken-Abgeordnete provozieren mit Anzeige gegen Merkel

Acht Abgeordnete der Linken zeigen Angela Merkel an – und das vor dem von Bodo Ramelow angestrebten Comeback. Der Ärger in der Fraktion ist groß.

Von Matthias Meisner

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping ist mächtig sauer auf ihre Genossen - und damit längst nicht die einzige in ihrer Partei. „Diese Aktion von acht einzelnen Abgeordneten war weder mit der Fraktionsspitze noch mit der Parteispitze abgestimmt“, sagt sie, als sie am Freitag von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali am Rande eines Auftritts im „Morgenmagazin“ befragt wird.

In einer angeblich nicht abgestimmten Aktion haben acht Bundestagsabgeordnete der Linken Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Mitglieder der Bundesregierung angezeigt. Es gebe einen Tatverdacht wegen „Beihilfe durch Unterlassen zum Mord“ wegen der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani. Das zentrale Argument: Der „völkerrechtswidrige Drohnenangriff“ sei über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz gesteuert worden.

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Kipping erklärt: „Um es höflich und zitierfähig auszudrücken: Ich bin darüber alles andere als amüsiert und wir werden in der Fraktion auch noch mal sehr gründlich darüber sprechen müssen.“

Die Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, äußern sich zunächst nicht. Bartsch ist im Urlaub. Auf die Tagesspiegel-Anfrage mit der Bitte um eine Stellungnahme von Mohamed Ali schreibt Fraktionssprecher Michael Schlick: „Frau Mohamed Ali war vorab nicht informiert. Der Fraktionsvorstand wir sich am Montag mit dem Vorgang beschäftigen.“

Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte twittert: „Zur Anzeige von acht Bundestagsabgeordneten meiner @Linksfraktion gegen Mitglieder der Bundesregierung: Das ist mit der Fraktion nicht abgesprochen und ich hätte mit Sicherheit nicht zugestimmt. Die nächste Fraktionssitzung dauert dann wohl wieder mal länger.“

Plenarsitzung des Bundestages: Linken-Parteichefin Katja Kipping und der Abgeordnete Andrej Hunko.
Plenarsitzung des Bundestages: Linken-Parteichefin Katja Kipping und der Abgeordnete Andrej Hunko.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild

Bodo Ramelow setzt auf Stimmen aus der CDU

Sicher ist: Die ernste Diskussion zeigt erneut, wie zerrissen die Linksfraktion insbesondere in Fragen der Außenpolitik ist. Und: Sie kommt für die Partei zur Unzeit. Am kommenden Mittwoch will in Thüringen der Linken-Politiker Bodo Ramelow einen neuen Anlauf nehmen, um im Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Damit das im ersten Wahlgang gelingt, benötigt er auch mindestens vier Stimmen aus der CDU-Fraktion – und das trotz des vom Hamburger CDU-Bundesparteitag im Dezember 2018 gefassten Unvereinbarkeitsbeschlusses.

Erst vor ein paar Tagen hat die CDU in einem Elf-Seiten-Papier ihre Haltung zu AfD und Linkspartei niedergelegt – und die Differenzen zur Linken unter anderem damit begründet, dass diese sich mit „sozialistischen Diktaturen wie in Venezuela oder Kuba“ solidarisiere: „Ideologische Antriebsfeder neben der sozialistischen Bruderschaft ist dabei klarer Antiamerikanismus“, heißt es in dem Positionspapier.

Solidarität mit Autokraten in Caracas und Moskau

Die Liste der acht Unterzeichner der Anzeige gegen Merkel und andere Regierungsmitglieder wie Außenminister Heiko Maas (SPD), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) liest sich wie ein Who-is-who derjenigen in der Linksfraktion, die in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen sind mit Solidarität zu Autokraten oder Diktatoren wie Nicolas Maduro oder Wladimir Putin. Die beiden stellvertretenden Fraktionschefs Heike Hänsel und Andrej Hunko sind dabei, als weiteres Fraktionsvorstandsmitglied auch Hubertus Zdebel. Alle acht sind Westdeutsche.

Hunko setzte sich erst im Februar in einer Kampfabstimmung gegen die Innenpolitikerin Martina Renner als Fraktionsvize durch. Er mischte im Milieu von Querfront-Aktivisten und Verschwörungstheoretikern mit, posierte an der Seite von Separatisten in der Ost-Ukraine. Aus der Fraktionsführung hieß es nach der Wahl von Hunko zum Vize-Chef, dieser liege mit seinen Positionen auf Fraktionslinie.

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Fraktionsvize Hänsel organisierte auf dem Europa-Parteitag der Linken im Bonn eine Solidaritätsaktion mit Venezuela, Tagungspräsidium und Parteiführung fühlten sich damals völlig überrumpelt.

Bei der Venezuela-Solidaritätsaktion standen auch Diether Dehm und Alexander Neu auf der Parteitagsbühne, beide haben die Anzeige gegen Merkel nun ebenfalls mit unterzeichnet. Dehm ist seit Jahren enger Vertrauter der früheren Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht. Er gilt in der Fraktion als einer der einflussreichsten Strippenzieher. Wagenknecht hat nicht unterschrieben. Seit der Wahl von Mohamed Ali im November 2019 zu ihrer Nachfolgerin hat sich Wagenknecht aus der aktiven Parlamentsarbeit weitgehend zurückgezogen.

Schaulaufen in Kassel für den Parteivorsitz

Die umstrittene Anzeige gegen Merkel stört den innerparteilichen linken Frieden nicht nur wegen Thüringen. An diesem Wochenende trifft sich die Linke in Kassel zur Strategiekonferenz. Sie ist auch ein Schaulaufen möglicher Kandidaten für den Parteivorsitz, gewählt wird auf dem Bundesparteitag im Juni in Erfurt.

Katja Kipping hat bisher offen gelassen, ob sie erneut antritt. Als sie vor ein paar Tagen ihr Büchlein „Neue linke Mehrheiten“ vorstellte, sagte sie, noch sei nicht entschieden, ob ihre Flugschrift Vermächtnis sei oder Bewerbungsrede. Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte erwägt nach Angaben aus Parteikreisen eine Kandidatur für den Ko-Parteivorsitz – er würde auch daran gemessen, ob er die Fraktion zusammenhalten kann.

Wie abwegig das juristische Vorgehen gegen Merkel & Co. auch einer ganzen Reihe von Linken erscheint, wurde derweil an einer Wortmeldung der früheren Bundestagsabgeordneten Halina Wawzyniak deutlich. Wawzyniak, selbst Juristin, twitterte in Anspielung auf die Initiative ihrer Genossen: „Ich überlege gerade, wen ich mit welcher absurden juristischen Begründung anzeige, um maximale Aufmerksamkeit zu bekommen. Schwanke noch zwischen Papst, UN-Generalsekretär oder E.T.“

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