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Schwangerschaft im Ultraschall. Die Information darüber, dass sie auch Abbrüche durchführen, verbietet Ärzten aktuell der Paragraf 219a.

© Patrick Pleul/dpa-tmn

Paragraf 219a: Reform des Abtreibungsparagrafen gerät in die Mühlen der GroKo

Fällt die Reform des Paragrafen, der Information über Abtreibung verbietet, dem künftigen Koalitionsfrieden zum Opfer? Die Gegnerinnen des 219a hoffen noch.

Ein überparteiliches Projekt, für das es im Bundestag eine deutliche Mehrheit gegeben hätte, könnte scheitern, falls die SPD am Sonntag den Weg zur nächsten Regierung mit der Union freigibt. Die Abschaffung oder Neuformulierung des Paragrafen 219a. Er verbietet "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche, macht es aber auch unmöglich, dass Ärztinnen und Ärzte sachlich darüber informieren - etwa dass sie selbst Abbrüche durchführen. Die Unionsparteien haben sich inzwischen klar gegen eine Reform festgelegt. Die SPD zögert derzeit, ihren eigenen Antrag einzubringen. Die Frage sei noch offen, hieß es aus dem Büro der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Eva Högl.

Union sieht schon Information über Abtreibung als Gefahr

Von den Sozialdemokraten hängt wesentlich ab, ob eine parlamentarische Initiative Erfolg hätte. Wie Grüne und Linke haben sie zwar einen Gesetzentwurf formuliert, der auf die Abschaffung des Paragrafen zielt. Doch die Sozialdemokratinnen wollten auch die Union ins Boot holen. Das scheint, kurz vor möglichen Koalitionsverhandlungen zwischen beiden Parteien, nun endgültig gescheitert. In einem Gespräch mit der Tageszeitung taz erklärte Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, jetzt klar, sie sehe "aktuell keinen Handlungsbedarf beim Gesetzgeber". Die bestehenden Normen zum Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch seien "ausgewogen", in diesem Sinne sei auch der 219a zu sehen: "Ohne ihn könnte die Beratung konterkariert werden." Dabei positionierte sie sich erstmals auch klar gegen sachliche Information: "Nicht nur das Anpreisen trägt zur Verharmlosung (des Schwangerschaftsabbruchs, Anm.) bei", sagte sie, "sondern auch die sachliche Information als Angebot auf der Homepage eines Arztes." Zum Treffen aller Fraktionsfachleute - mit Ausnahme der AfD - war am Mittwoch erstmals keine Vertreterin der Union gekommen.

FDP wird vorsichtiger

In der nächsten Woche treffen sich die anderen erneut - und wollen nach Möglichkeit Nägel mit Köpfen machen: "Der Wunsch nach einer gemeinsamen Lösung ist noch da", sagt Cornelia Möhring, Frauenpolitikerin der Linksfraktion. "Und wir gehen jetzt ins parlamentarische Verfahren." Vermutlich werde es zwei Anträge geben, einen, der die Abschaffung des Paragrafen komplett fordert, der andere, der ihn umformulieren und auf das Werbeverbot reduzieren möchte. Technisch, so Möhring, sei es noch möglich, die zweite und dritte Lesung im Bundestag durchzubekommen, bis eine neue Regierung steht, mit der man vor Mitte bis Ende April nicht rechnet. Nicht ausgeschlossen ist, so ist aus dem Kreis der Fachpolitikerinnen zu hören, dass die Abstimmung für alle freigegeben wird - wie kurz vor der Bundestagswahl im September die Ehe für alle, die dann Stimmen aus allen Fraktionen bekam. Oder dass die SPD-Führung es den Genossinnen und Genossen es in der Zeit bis zur - möglichen - Regierungsbildung erlaubt, nach Gusto zu stimmen. Högl sagte, sie hoffe, "dass wir uns möglichst schnell auf eine fraktionsübergreifende Lösung beispielsweise in der Form eines Gruppenantrags verständigen können – unabhängig von eventuellen Koalitionsverhandlungen.“ Katja Suding, die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, die sich im Dezember noch für eine Streichung des Paragrafen aussprach, äußerte sich dem Tagesspiegel gegenüber nun vorsichtiger: Man prüfe "verschiedene Optionen". Ziel sei, dass Frauen, die sich über Schwangerschaftsabbrüche informieren möchten, "einen besseren Zugang zu seriösen Informationen erhalten" - wofür es eine "möglichst breite parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheit" brauche.

 Karlsruhe 2006: Über legale Abbrüche müssen Ärzte informieren dürfen

Teil der Kritik am Paragrafen 219a ist auch, dass er 1933 von den Nationalsozialisten eingeführt wurde. Der Verschärfung der Abtreibungsverbote, die in der Weimarer Republik zuvor gelockert worden waren, galten die ersten Gesetze der Nazis, wobei vor allem die Strafen erhöht wurden. Dass die Information die der Paragraf verbietet - Strafe wird jedem oder jeder angedroht, die Abtreibung öffentlich "anbietet, ankündigt, anpreist" - nicht im Gegensatz zum Schutz ungeborenen Lebens steht, hatte das Bundesverfassungsgericht schon in einer Entscheidung vom Mai 2006 festgestellt: „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können.“ Dies hatte die Gießener Ärztin Kristina Hänel getan - und wurde deswegen im November 2017 zu 6000 Euro Geldstrafe verurteilt. Ihr Fall hat die aktuelle Debatte über den Paragrafen 219a ausgelöst.

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