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Der Hamburger Erzbischof Heße wollte zurücktreten, weil ihm Pflichtverletzungen bei der Aufarbeitung von Missbrauch nachgewiesen worden waren.

© Axel Heimken/dpa

Papst nimmt Amtsverzicht nicht an: Warum Hamburgs Erzbischof Heße im Amt bleiben soll

Papst Franziskus nimmt den Amtsverzicht von Erzbischofs Stefan Heße nicht an. Kritiker meinen: „Für viele dürfte die Entscheidung eine Ernüchterung sein.“

Um zwölf Uhr Mittags kam die Überraschung: Hamburgs Erzbischof Stefan Heße soll im Amt bleiben. Eine entsprechende Entscheidung von Papst Franziskus veröffentlichte am Mittwoch die Botschaft des Vatikans, die „Apostolische Nuntiatur“, in Berlin. 

Heße hatte im März dem Papst den Rücktritt von seinem Amt angeboten, nachdem ihm das Kölner Missbrauchsgutachten in seiner Zeit als Kölner Generalvikar zahlreiche Verfehlungen im Umgang mit sexuellem Missbrauch attestiert hatte. Anschließend hatte sich Heße zu einer Auszeit zurückgezogen.

Im Juni hatten sich dann die nach Köln entsandten päpstlichen Visitatoren, der schwedische Kardinal Anders Arborelius und der Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende, mit der Causa Heße beschäftigt.

Schwerwiegende Fehler

Basierend auch auf ihrem Bericht kam der Vatikan offenbar zu der Einschätzung, dass Heße Fehler begangen habe, diese aber nicht schwerwiegend genug für einen Rücktritt waren. „Nach eingehender Prüfung der eingegangenen Dokumente hat der Heilige Stuhl für den fraglichen Zeitraum Mängel in der Organisation und Arbeitsweise des Erzbischöflichen Generalvikariats sowie persönliche Verfahrensfehler Monsignore Heßes festgestellt“, heißt es in der Mitteilung der Nuntiatur.

Die Untersuchung habe jedoch nicht gezeigt, dass diese Fehler mit der Absicht begangen worden seien, Missbrauchsfälle zu vertuschen. „Das Grundproblem bestand, im größeren Kontext der Verwaltung der Erzdiözese, im Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber.“

Franziskus nimmt Amtsverzicht nicht an

Trotz dieser durchaus deutlichen Worte kommt der Vatikan aber zu dem Schluss, dass Heße seine in der Vergangenheit begangenen Fehler „in Demut anerkannt“ habe. „Nach Abwägung der über die Visitatoren und durch die zuständigen Dikasterien (Ämter) der römischen Kurie zu ihm gelangten Bewertungen“ sei Franziskus zu dem Schluss gekommen, den Amtsverzicht nicht anzunehmen. 

Heße selbst wandte sich am Mittwoch in einem Hirtenbrief an die Gläubigen seines Erzbistums. Er betonte darin erneut, mit seinem Rücktrittsangebot Verantwortung für die Fehler in Köln übernommen zu haben.

„Die mir gewährte Auszeit ist beendet und ich übernehme nun nach dem Willen des Papstes ausdrücklich wieder Verantwortung als Erzbischof im Norden“, erklärte Heße. „Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass es nicht unbedingt leicht sein wird, meinen Dienst wieder aufzunehmen.“

Über das weitere Vorgehen im Erzbistum wolle er sich nun mit den Gremien des Erzbistums beraten.

Kritik am langsamen Verfahren

Bei den Laienvertretern in der Erzdiözese, zu der neben Schleswig-Holstein auch Hamburg und der Landesteil Mecklenburg gehören, war man am Mittwoch indes mit gemischten Gefühlen unterwegs. „Jede Entscheidung ist besser als keine Entscheidung“, sagte Stefanie Heiden, die das Erzbistum als Mitglied des Diözesanpastoralrats im Zentralkomitee der deutschen Katholiken vertritt, am Mittwoch dem Tagesspiegel.

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Tatsächlich hatte die lange Zeit bis zu einer Entscheidung des Vatikans im Erzbistum für Verärgerung gesorgt, so hatte etwa Generalvikar Ansgar Thim erst kürzlich in einer Art Brandbrief das langsame Verfahren beklagt.

„Aber ich beneide Erzbischof Heße ganz bestimmt nicht für das, was da jetzt vor ihm liegt“, sagte Heiden. Im Erzbistum Hamburg hätten viele Katholiken einen Rücktritt des Erzbischofs für die richtige Lösung gehalten.

Andere dagegen hätten für seine Rückkehr gebetet. „Für viele dürfte die Entscheidung aus dem Vatikan eine Ernüchterung sein.“

„Höchst problematischen Entscheidung“

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sprach am Mittwoch von einer „höchst problematischen Entscheidung“ und einem „intransparenten Verfahren.“ „Das heutige Ergebnis und noch mehr die völlige Intransparenz des gesamten Verfahrens sind nicht geeignet, die immense Glaubwürdigkeitskrise zu überwinden, in der sich die Kirchenleitung befindet“, sagte der Sprecher von „Wir sind Kirche“, Christian Weisner.

„Die jetzige Entscheidung Roms stellt faktisch eine Amnestie für Erzbischofs Stefan Heße dar, dem das Gutachten der Kanzlei Gercke elf rechtlich fassbare Pflichtverletzungen als früherer Kölner Generalvikar nachgewiesen hat.“

Damit müsse sich nun auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in seinem Handeln bestätigt fühlen. Aus Sicht des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas Schüller hat der Papst hingegen „systemkonform“ entschieden.

„Der reuige Sünder erfährt die päpstliche Barmherzigkeit.“ Im Schreiben der Nuntiatur werde aber die These des Organisationsversagens in Köln, die bereits aus den Gutachten bekannt sei, wieder aufgegriffen.

Und tatsächlich fehlt ja auch noch eine weitere Entscheidung aus Rom: Die Frage nämlich, wie es im Erzbistum Köln künftig weitergeht, ist mit der Entscheidung in Sachen Hamburg noch längst nicht beantwortet.

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