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Animation der ersten beiden Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo in der geostationären Erdumlaufbahn.

© dpa

Panne bei Navigationsnetz: Der „Galileo“-Ausfall zeigt, wie verwundbar Europa ist

Die EU braucht einen Mentalitätswandel: Gefahrenabwehr ist wichtiger als der Wunsch, die Partner von Gemeinschaftsprojekten glücklich zu machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wir wollen mal hoffen, dass das zeitliche Zusammentreffen der zwei Nachrichten Zufall war. Das europäische Navigationsnetz „Galileo“, das sich auf ein Satellitensystem im Weltall stützt, erlebt einen nahezu kompletten Ausfall. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will ein Verteidigungssystem im Orbit aufbauen, um sein Land und Europa besser gegen Cyberattacken zu schützen.

Software-Versagen oder ein Cyberangriff?

Über die Ursachen des „Galileo“-Ausfalls hört man wenig Konkretes. Mal wird die Software als Ursache genannt, mal eine Bodenstation in Italien, die die „Galileo“-Systemzeit an die mehr als zwei Dutzend Satelliten übertragen soll. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um auch einen gezielten Cyberangriff zumindest in Erwägung zu ziehen. Die Störung trat seit vergangenem Donnerstag auf – kurz danach stellte Macron sein Projekt einer Cyber-Abwehr im All vor. Was der Fehler war, muss eine Untersuchung klären. Hoffentlich erfährt die Öffentlichkeit die Ergebnisse ungeschönt.

Der Vorfall zeigt, wie verwundbar Europa ist. Er sollte Anlass sein, den Blickwinkel auf europäische Gemeinschaftsprojekte zu überprüfen. In der guten alten Zeit, als „Galileo“ geplant wurde, ging man nach der Devise vor: Alle Beteiligten sollen ein Stück vom Kuchen abbekommen. Das Risiko durch Cyberangriffe war noch nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Kontrollzentren stehen in Deutschland und Italien, der Betreiber sitzt in Prag, weitere EU-Staaten wurden mit Teilaufträgen für den Satellitenbau und Dienstleistungen bedacht. „Galileo“ ging mit acht Jahren Verspätung in Betrieb, die Kosten vervielfachten sich.

Viele EU-Regeln sind für Gutwetter gemacht. Und versagen bei Sturm

Europa war mit sich selbst beschäftigt, die Zufriedenheit aller Partner war wichtiger als das Risiko der Verwundbarkeit. Das Muster gilt für viele Bereiche, vom Euro über den Umgang mit Migration bis zur Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat. Die Regeln der EU sind für Sonnenschein gemacht; wenn ein Unwetter aufzieht, funktionieren sie nicht verlässlich, und die nötige Abhilfe lässt sich meist nicht durchsetzen.

Die EU braucht einen Mentalitätswandel. Sie ist nicht Jedermanns Liebling. Viele wollen ihr Böses. Will sie im Wettbewerb mit den USA, China und Russland bestehen – „Galileo“ gehört dazu und sollte Europa unabhängig vom GPS-System der USA machen –, muss sie die Gefahr von Störungen und Angriffen sowie deren Abwehr im Voraus bedenken. Macrons Vorschlag weist in die richtige Richtung.

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