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Mach mal Pause. man darf sich in dieser allzeit panikbereiten Gesellschaft nicht in einen Panikmodus hineintreiben lassen, findet unser Autor.

© Friso Gentsch/dpa

Panikmodus in der Coronakrise: Wir dürfen nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen

Corona gehört aber, trotz allen Gefahren, zu den womöglich kleineren Risiken unseres Lebens. Also: Keine Panik bei all der Panik. Eine Glosse.

Eine Glosse von Harald Martenstein

Möglicherweise dauert es noch zwei Jahre, bis ein Impfstoff gegen das verdammte Virus vorhanden ist. Jedenfalls sagte dies der Virologe Alexander Kekulé in einer Talkshow. Gleichzeitig hört man, dass an Normalität, also ein Leben, wie wir es bisher kannten, vorher nicht zu denken sei.

Der gegenwärtige Zustand ist aber nicht zwei Jahre lang durchzuhalten, auch nicht ein Jahr, auch nicht in leicht abgemilderter Form. Mir ist kaum jemand bekannt, der an dieser Wahrheit zweifelt. Irgendwann (und dieser Moment ist nahe) werden die Schäden, die Isolation und Lockdown verursachen, größer sein als alles, was das Virus anrichten könnte. Leute werden an Hunger und Elend sterben, nicht hier, aber anderswo.

Die Zukunftsperspektive der nächsten Generation wird schwer beschädigt. Dass die meisten von uns zu Hause nach und nach einen leichten Dachschaden bekommen, ist noch das kleinste Problem. Bisher haben wir in dieser Krise wahrscheinlich vieles richtig gemacht, das stimmt. Aber wir sollten nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen.

Corona gehört wohl zu den kleineren Risiken

Wir Heutigen sind darauf programmiert, den Tod zu verdrängen. Der Tod ist aber nicht nur unvermeidlich, er ist sogar notwendig. Wenn wir ewig leben würden, ginge die Welt tatsächlich bald unter, an Übervölkerung. Jedes Jahr sterben in Deutschland 10.000 Menschen im Haushalt, zum Beispiel bei banalen, eigentlich leicht vermeidbaren Tätigkeiten wie Fensterputzen. Und wer zu den Älteren gehört, wie auch ich, der weiß, dass die verbleibende Zeit überschaubar geworden ist.

Corona gehört aber, trotz allen Gefahren, zu den womöglich kleineren Risiken. Auch von den Älteren überleben die meisten eine Infektion. Mit der Spanischen Grippe, der zwischen 50 und 100 Millionen zum Opfer fielen, also womöglich einer von 18 der damals Lebenden, ist Corona bisher nicht zu vergleichen.

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Panikbereite Gesellschaft

Was folgt daraus? Ich finde, man darf sich in dieser allzeit panikbereiten Gesellschaft nicht in einen Panikmodus hineintreiben lassen. Vor allem sollte man nicht aus Panik Werte auf den Müll werfen wie etwa die individuelle Freiheit und das Recht auf Widerspruch. Das Gleiche gilt für Errungenschaften wie unseren relativen Wohlstand, der überhaupt erst die vielen Intensivstationen möglich gemacht hat, von denen alle Kranken profitieren. Von diesem Wohlstand profitieren nicht nur wir, sondern Menschen überall auf der Welt, denen wir Arbeitsplätze verschaffen, Hilfsgelder überweisen oder Zuflucht bieten.

Das Ganze ist mehr wert als seine Teile. Auch mein eigenes Leben ist, jedenfalls meiner Meinung nach, weniger wert als das Leben meiner Kinder und ihre Zukunft. Seit es Menschen gibt, haben die meisten von ihnen so gedacht und so gehandelt.

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