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Analog und als Livestream: Erzbischof Stephan Burger spricht während des Pontifikalamtes zum Ostersonntag im Freiburger Münster.

© dpa/Philipp von Ditfurth/dpa

Pandemie des Misstrauens: Die Kirche muss handeln – sonst verliert sie sich und ihren Sinn

Ostern ist auch eine Zeit des Aufbruchs. Die Kirche muss sich nun aus ihrer Starre lösen. Denn es braucht mehr Konsequenzen des Missbrauchs. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Auch jetzt, in diesem Jahr, dem zweiten der Pandemie, feiern die Kirchengemeinden in Berlin, Brandenburg und darüber hinaus die Karwoche und Ostern unter verschärften Bedingungen. So muss man nennen, was uns allen abverlangt wird und darum auch den Religionsgemeinschaften.

Wie sagte der Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, evangelisch-reformierter Christ, in seiner Oster-Ansprache: Die Menschen leisten ihren Teil. Anerkennung schwingt da mit, und Aufforderung. Sie lautet: Nur nicht nachlassen! Die Gemeinden entscheiden am Ort über das, was unter Präsenz zu verstehen sei.

Präsenz, das Schlüsselwort, nicht zuletzt für gelebte Solidarität in dieser Zeit: Ob unter freiem Himmel oder unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen mit Abstand und FFP2-Maske im Kirchenraum, ob mit der Familie vor dem Fernseher im Wohnzimmer oder am Bildschirm des Computers, Gottesdienstformate sind vielfältig, analog wie digital. Kirche ist da. Sie will da sein – aber das ist auch das Mindeste.

Denn ist Kirche in ihrem Wesen nicht fassbar, kann bald schon das Unfassbare eintreten: Sie verliert sich und ihren Sinn. Die Gläubigen kehren ihr doch bereits in Scharen den Rücken, Tag für Tag, Woche für Woche in diesem schrecklichen Jahr, einem weiteren, das nicht nur Corona geschuldet ist, sondern dem infizierten Vertrauen in Schuldlosigkeit und Glaubwürdigkeit. Nennen wir das, was geschieht, eine Pandemie des Misstrauens.

Ob katholisch oder evangelisch, die Sünde des Missbrauchs von jungen Menschen, die sich der Kirche und ihren Vertretern anvertraut haben, muss noch mehr Konsequenzen als bisher zur Folge haben. Einige Führende unter den Katholiken haben inzwischen begonnen, versuchen eine Läuterung, scheitern immer wieder am „System“ Kirche. Sie dürfen nicht aufgeben.

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Die Protestanten können aber auch noch mehr tun, auch sie sind nicht unschuldig. Auch bei ihnen, ohne Zölibat und verquere Sexualmoral, sind viele Fälle bekannt, werden wohl viele beschwiegen, ist die Dunkelziffer hoch. In diesem Dunkel aber lauert die Gefahr. Es muss das grelle Licht der Aufklärung hinein.

Zeit zur Besinnung und zum Aufbruch

Ostern ist eine gute Zeit zur Besinnung und zum Aufbruch danach. Nicht bloß wegen der Frühlingsstimmung, die sich außerdem gerade nicht so recht einstellen mag. Romantik ist fehl am Platz. Mag die Natur bunt sein und Lebensfreude ausstrahlen – menschenfreundlich ist das, was uns umgibt, nicht. Nicht aus sich selbst heraus.

In Bochum wird hinter dem Pfarrheim der St. Franziskus Gemeinde ein Open-Air-Ostergottesdienst gefeiert.
In Bochum wird hinter dem Pfarrheim der St. Franziskus Gemeinde ein Open-Air-Ostergottesdienst gefeiert.

© Bernd Thissen/dpa

Das wird nur, wo innerhalb der Gemeinschaft und Gesellschaft Sinnsuche betrieben wird. In dieser Hinsicht lässt sich bei den Herausforderungen von der Corona-Krise bis zur Kirchen-Krise vom Osterfest lernen. Das beschreibt im weitesten Sinn Christian Kopp, der Regionalbischof im Kirchenkreis München: Vom Osterfest lerne er, solidarisch zu sein, so wie Gott es mit den Menschen ist, und sich auch den Abgründen auszusetzen. Als Osterbotschaft wünscht er allen ein „Ende der Erstarrung“.

[Mehr zu Ostern in der Pandemie: Lesen Sie hier, wie ein Geistlicher die Pandemie erlebt und was er Menschen an den Feiertagen rät (T+).]

Noch wichtiger wird dieses sich lösen aus der Starre, weil es auch gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins helfen kann, das sich in unseren Pandemiezeiten ausbreitet. Was hilft, auf den Begriff gebracht: Achtsam sein, auf den Nächsten schauen. Da sein.

Das zumal ist eine Grundlage für die Kirchen. Die Bedingungen sind verschärft. Es geht immerhin um nicht weniger als um den Fortbestand einer Institution, die moralisch sein will und dem Heil des Menschen zugewandt. Wer soll das glauben? Das kann nur der, der es erlebt. Ostern ist eine Aufforderung.

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