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Der als ehrgeizig geltende Prinz Mohammed bin Salman ist schon mehrfach gegen Rivalen vorgegangen.

© imago images/Itar Tass

Palast-Intrigen in Saudi-Arabien: Der Prinz lässt Rivalen gnadenlos aus dem Weg räumen

Saudi-Arabiens Thronfolger Mohammed bin Salman lässt mehrere Mitglieder der Herrscherfamilie festnehmen – wollte er einer Palastrevolte zuvorkommen?

Als Männer in schwarzen Uniformen, ihre Gesichter hinter Masken verborgen, am Freitagmorgen in einem Lager außerhalb der saudischen Hauptstadt Riad auftauchten, begann eine Festnahme-Serie, die das Königreich erschüttert.

Das Kommando der saudischen Palastgarde nahm einen der mächtigsten Mitglieder der Herrscherfamilie fest, der in dem Lager oft Gäste empfängt: Prinz Mohammed bin Nayef, ein Neffe von König Salman und ein früherer Innenminister, der sich als Anti-Terror-Kämpfer einen Namen gemacht hatte und bis zum Jahr 2017 der Anwärter auf den Königsthron war.

Auch der jüngere Bruder des Prinzen sei festgenommen worden, meldete die „New York Times“, die über den Überfall auf das Lager berichtete. Fast gleichzeitig kam Prinz Ahmed bin Abdulaziz in Haft, ein Bruder von König Salman. Hinter den Festnahmen, die mit dem Vorwurf des Verrats begründet wurden, steht Kronprinz Mohammed bin Salman, der so mögliche Konkurrenten beim Kampf um den Thron aus dem Weg geräumt hat.

Dass der 34-jährige Kronprinz, genannt MBS, sogar seinen eigenen Onkel abführen lässt, passt zu seinem Image als rücksichtsloser Machtpolitiker. Er hat schon mehrmals unter Beweis gestellt, wie rabiat er mit mutmaßlichen oder tatsächlichen Widersachern umgeht.

Kurz nachdem er auf Geheiß seines Vaters König Salman statt Prinz Mohammed bin Nayef im Jahr 2017 als Thronfolger benannt wurde, ließ er eine ganze Reihe von Mitgliedern der weit verzweigten Herrscherfamilie im Luxushotel Ritz Carlton in Riad internieren.

Rivalen und Kritiker werden ausgeschaltet

Nur wer sich mit Milliardenzahlungen an die Staatskasse freikaufte, durfte wieder gehen. Auch von Folter in der Luxusherberge war die Rede. Im Herbst 2018 ließ MBS nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste in Istanbul den Dissidenten und Journalisten Jamal Khashoggi ermorden.

Die saudische Wirtschaft ist in Bedrängnis. Die Einnahmen aus den Ölexporten gehen merklich zurück.
Die saudische Wirtschaft ist in Bedrängnis. Die Einnahmen aus den Ölexporten gehen merklich zurück.

© Fayez Nureldine/AFP

Nun sah er möglicherweise seine Stellung als Thronfolger gefährdet. Prinz Mohammed bin Nayef hatte sich nach seiner Degradierung vor drei Jahren zwar mit seinem Schicksal abgefunden, doch offenbar traut ihm der Kronprinz bis heute nicht über den Weg. Prinz Ahmed gilt schon lange als Kritiker von MBS.

Der heute 78-jährige hatte vor zwei Jahren in London gesagt, verantwortlich für die Probleme Saudi-Arabiens sei nicht die ganze Königsfamilie, sondern lediglich König Salman und dessen Kronprinz. Er distanzierte sich später zwar davon, wurde aber dennoch zum Hoffnungsträger von MBS-kritischen Teilen des Herrscher-Clans, der etwa 15.000 Mitglieder hat.

Die saudische Führung äußerte sich zunächst offiziell nicht zu den Festnahmen. Die Ereignisse kamen über Informanten im Königshaus sowie arabische und westliche Diplomaten ans Tageslicht, die Nachrichtenagenturen und Zeitungen informierten.

Einige Beobachter verweisen darauf, dass offenbar nur ein sehr kleiner Führungszirkel um den Kronprinzen in den Plan für die Verhaftungen eingeweiht war. Auch das spreche für eine Palastintrige, einen erbitterten Machtkampf am Königshof, aus dem bin Salman nun endgültig als Sieger hervorgegangen sein dürfte.

Der Kronprinz sei nach den Festnahmen nun erst recht der entscheidende Mann, zitierte die Nachrichtenagentur AFP eine Quelle in der Umgebung der saudischen Führung.

Der Hoffnungsträger der Jugend gerät in Bedrängnis

Experten sehen zwei Gründe dafür, warum MBS ausgerechnet jetzt gegen die Prinzen vorging. Zum einen gibt es Gerüchte, dass der Gesundheitszustand des noch amtierenden Königs Salman sich deutlich verschlechtert hat. Sollte der 84-jährige Monarch zurücktreten oder bald sterben, will der Thronfolger seine Macht schon abgesichert haben. Kritik an seiner Person und seinem Herrschaftsstil soll es nicht mehr geben. Niemand soll ihm gefährlich werden, keiner sich ihm in den Weg stellen.

Zum anderen sieht Mohammed bin Salman sein Image als starker, tatkräftiger und alternativloser Machthaber gefährdet. So ist der versprochene wirtschaftliche Aufschwung vor allem am Arbeitsmarkt bisher ausgeblieben. Gerade junge Saudis, die MBS als Hoffnungsträger sehen, sind deshalb frustriert.

Die "kleine Pilgerfahrt" nach Mekka und Medina wurde aus Furcht vor dem Coronavirus abgesagt.
Die "kleine Pilgerfahrt" nach Mekka und Medina wurde aus Furcht vor dem Coronavirus abgesagt.

© Abdel Ghani/AFP

Die Wirtschaftslage könnte sich sogar verschlechtern, denn die weltweite Coronakrise trifft auch das Königreich schwer. Die Preise für Erdöl, nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle des Golfstaats, sind deutlich gefallen. Der Leitindex an der saudischen Börse sank deshalb zu Handelsbeginn am Sonntag um mehr als sechs Prozent.

Auch die Aktien des saudischen Ölunternehmens Aramco, dessen Börsengang den Plan von MBS zum Umbau der saudischen Wirtschaft finanzieren soll, gingen auf Talfahrt.

Wird der Hadsch, die große Pilgerfahrt, dieses Jahr abgesagt?

Streitigkeiten zwischen den Öl-Nationen sind ein wichtiger Grund für den Abwärtstrend. Seit Verhandlungen zwischen dem Kartell Opec und Russland über eine Senkung der weltweiten Ölproduktion als Reaktion auf die Coronakrise am Freitag scheiterten, ist der Ölpreis um zehn Prozent gefallen. Manche Beobachter erwarten einen neuen weltweiten Preiskampf wie 2014, als die Ölpreise um ein Drittel zurückgingen.

Zum Schutz vor der Coronavirus-Epidemie setzte die saudische Führung zudem die Umrah, die „kleine Pilgerfahrt“, nach Mekka und Medina aus. Damit ist auch fraglich, ob die große muslimische Pilgerfahrt Hadsch Ende Juli überhaupt stattfinden kann. Hadsch und Umrah bringen alljährlich Millionen Menschen nach Saudi-Arabien – und viel Geld in die Staatskasse. Die Einnahmeverluste sind ein weiterer Rückschlag für das Königreich.

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