zum Hauptinhalt
Palästinenser Demonstranten bei Zusammenstößen mit israelischen Soldaten bei Ramallah.

© AFP/ Abbas Momani

Update

Palästina: Mindestens zwei Tote und 760 Verletzte bei Zusammenstößen

Nach den muslimischen Freitagsgebeten kam es in Jerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen zu zahlreichen Zusammenstößen. Über 760 Menschen wurden verletzt.

Brennende US-Flaggen, brennende Reifen, Steinwürfe und Flaschen auf israelische Soldaten - der aufgestaute Frust der Palästinenser entlädt sich nach den Freitagsgebeten. Die Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein, Schüsse fallen. Das Heilige Land ist in Aufruhr.

Tausende demonstrierten in Jerusalem, im Westjordanland und im Gazastreifen gegen die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel zwei Palästinenser getötet. Ein weiterer schwebte demnach nach einem Kopfschuss in Lebensgefahr. Die israelische Armee bestätigte, dass zwei Menschen an der Grenze durch Schüsse getroffen wurden. Dabei habe es sich um die "Hauptanstifter" gewalttätiger Unruhen gehandelt. Mindestens 760 Menschen wurden verletzt.

Eine Rakete aus dem Gazastreifen ist am Freitagabend in der Stadt Sderot im Süden Israels eingeschlagen. Weitere Informationen gebe es nicht, teilte eine israelische Armeesprecherin zunächst mit. Nach einem Bericht der Zeitung „Haaretz“ seien Autos beschädigt worden. Verletzte habe es keine gegeben.

Bei israelischem Angriff wurden mindestens 25 Menschen verletzt

Zuvor griff Israel einen Stützpunkt und ein Waffenlager der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen an. Israel hatte nach Armeeangaben bereits am frühen Abend eine Rakete aus dem Küstengebiet abgefangen. Bei dem israelischen Angriff wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 25 Menschen verletzt, darunter seien sechs Kinder.

Das israelische Militär hatte nach eigenen Angaben als Vergeltung für Raketenangriffe auf Israel ein Ausbildungslager von Extremisten und ein Waffendepot in dem Palästinenser-Gebiet angegriffen. Augenzeugen zufolge stammten die meisten Verletzten aus einem Gebäude in der Nähe des Lagers. Dem Militär zufolge waren mindestens zwei Raketen auf Israel abgefeuert worden. Ein Geschoss wurde demnach abgefangen. Berichte über Schäden oder Verletzte durch die Raketen lagen nicht vor.

Nach Armeeangaben demonstrierten rund 4500 Palästinenser gewaltsam an sechs Orten entlang der Grenze des Gazastreifens. Die Truppen hätten auf "dutzende" Menschen geschossen, Angaben zu Verletzten wurden nicht gemacht.

Die Armee sprach zudem von 28 festgenommenen "Randalierern" und 65 Verletzten im israelisch besetzten Westjordanland. Die meisten von ihnen wurden von Gummigeschossen getroffen. In der Jerusalemer Altstadt drängten etwa 50 Polizisten rund 200 Demonstranten zurück. Zusammenstöße gab es auch in Hebron, Bethlehem und rund um Nablus.

UN Sicherheitsrat kritisiert Vorgehen der USA scharf

Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats mussten die USA massive Kritik aller 14 anderen Mitglieder des Gremiums einstecken. Die Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stelle einen „gefährlichen Präzedenzfall“ dar, sagte Ägyptens UN-Botschafter Amr Abdellatif Aboulatta in New York. Die Botschafter von Großbritannien, Italien, Schweden, Italien und dem derzeit nicht im Sicherheitsrat vertretenen Deutschland teilten nach der Sitzung in einer gemeinsamen Erklärung mit, die Entscheidung sei nicht in Übereinstimmung mit UN-Resolutionen und nicht hilfreich.

„Heute, am 30. Jahrestag der ersten Intifada, erhebt sich unser Volk in Ablehnung gegen die Erklärung von Trump“, sagte Achmad Bahar, ein führender Hamas-Vertreter, während der Gebete am Freitag in Gaza. Palästinenser verbrannten im Westjordanland Reifen und warfen Steine und Flaschen auf israelische Soldaten. Es kam unter anderem zu Ausschreitungen in Bethlehem, Nablus, Hebron und Gaza im Gazastreifen. Allein in der Nähe von Nablus gab es mindestens 40 Verletzte, unter anderem durch den Einsatz von Tränengas und Gummimantelgeschossen, wie der Rettungsdienst Roter Halbmond mitteilte.

Israelische Polizisten und Soldaten vertrieben Demonstranten am Damaskus-Tor, einem Zugang zur Jerusalemer Altstadt. „Die Waffe des Widerstandes wird ein Gesetz für die Befreiung Palästinas bleiben, der Befreiung von Jerusalem und der Al-Aksa-Moschee“, sagte Bahar. „Jerusalem ist die Hauptstadt Palästinas und auch die Hauptstadt der Araber und Muslime.“

Bereits am Donnerstag waren mindestens 80 Personen verletzt worden

Die radikal-islamische Hamas hatte für Freitag zum Beginn eines neuen Palästinenseraufstands (Intifada) aufgerufen. Bei Konfrontationen in Ramallah, Hebron, Bethlehem und am Rande des Gazastreifens waren bereits am Donnerstag nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 80 Palästinenser verletzt worden.

Jerusalem-Experte Daniel Seidemann erwartet trotz des Aufrufs zur nächsten Intifada keine neue Welle der Gewalt im Heiligen Land. „Ich denke, die apokalyptische Vision einer Explosion ist übertrieben“, sagt Seidemann. „Israel hat die Sicherheitskontrolle über Ost-Jerusalem und das Westjordanland, die Möglichkeiten für Gewalt sind begrenzt.“ Allerdings seien Vorhersagen immer schwierig. Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen griffen die israelischen Streitkräfte am Donnerstagabend Stützpunkte der dort herrschenden Hamas an.

Der Tempelberg mit der Klagemauer sowie der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom in der Jerusalemer Altstadt ist Juden wie Muslimen heilig. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch in einem historischen Alleingang Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt. Die Palästinenser reagierten empört, Israel dagegen euphorisch.

Tausende protestieren in Istanbul

Auch in Istanbul haben tausende Türken nach dem Freitagsgebet gegen die US-Entscheidung protestiert. Die Demonstranten, die durch das konservative Viertel Fatih zogen, hielten Plakate mit der Aufschrift "Jerusalem ist unsere Ehre" und "Nieder mit Amerika, nieder mit Israel" hoch. Viele schwenkten palästinensische, Flaggen, während sie Slogans gegen Israel und die USA riefen.

"Ob Amerika Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt, ist egal, für uns ist das null und nichtig", sagte die Studentin Merve. Die Worte von US-Präsident Donald Trump seien "leer und bedeutungslos", sagte sie mit Blick auf dessen Entscheidung am Mittwoch, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen. "Wann immer wir auf einer Karte den Namen Israel sehen, streichen wir es durch und schreiben Palästina", sagte die Studentin.

Der 17-jährige Doguhan sagte, er sei gekommen, um die "Einheit und Stärke" der Muslime zu zeigen. Auch der Demonstrant Sadik Cakmak sagte, er wolle seinen "palästinensischen Brüdern" versichern, dass sie nicht allein seien. "Die Türkei tut, was notwendig ist. Wir haben volles Vertrauen in die Leute, die uns regieren", sagte er. Die Türkei hat wie andere Staaten der Region Trumps Entscheidung scharf verurteilt.

Protestdemonstration in Teheran

Hunderte von Iranern haben am Freitag bei einer behördlich organisierten Demonstration in Teheran gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump protestiert, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Die Demonstranten riefen „Nieder mit Amerika“, „Nieder mit Israel“ und „Befreiung Jerusalems steht bevor“. Zum ersten Mal war auch der Slogan „Nieder mit Trump“ zu hören. Außerdem verbrannten die Demonstranten Flaggen der USA, Israels sowie Bilder des US-Präsidenten.

Zu der Protestdemonstration nach dem Freitagsgebet in der Teheraner Imam-Chomeini-Mosalla-Moschee hatte die Behörde für islamische Propaganda aufgerufen. Ziel sei es, den Palästinensern auf diesem Weg zu versichern, dass der Iran „bis zum finalen Sieg und der Befreiung Jerusalems“ an ihrer Seite stehen werde. Nach Berichten der Tasnim Nachrichtenagentur gab es auch in anderen iranischen Städten ähnliche organisierte Protestdemonstrationen.

Spontane Proteste gab es zunächst nicht. Auch in den sozialen Medien im Iran spielten Kritik an den USA oder Solidaritätsbekundungen mit den Palästinensern keine größere Rolle. Letztere sind im Iran sonst üblich. Allerdings gibt es auch Iraner, die gegen die radikale Anti-Israel-Politik Teherans und gegen eine übertriebene Unterstützung von arabischen Ländern wie Palästina, Syrien, Libanon oder Jemen sind. (mit dpa, AFP, Reuters)

Zur Startseite