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Politik: Osterweiterung: Aus Technik wird Politik

Den Satz, in Deutschland solle vor der Erweiterung der Europäischen Union eine Volksabstimmung stattfinden, den hat er so nie gesagt. Gut, seit er Anfang September der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gab, da hatte Günter Verheugen einiges richtig zu stellen.

Den Satz, in Deutschland solle vor der Erweiterung der Europäischen Union eine Volksabstimmung stattfinden, den hat er so nie gesagt. Gut, seit er Anfang September der "Süddeutschen Zeitung" ein Interview gab, da hatte Günter Verheugen einiges richtig zu stellen. Aber einen anderen Satz aus eben diesem Interview hat der Brüsseler Kommissar, der für die Erweiterung der Europäischen Union zuständig ist, nie zurückgenommen: Die EU-Mitgliedstaaten dürften es nicht "der Kommission überlassen, die Drecksarbeit alleine zu machen." Gemeint war die schwierige Überzeugungsarbeit, die in der Bevölkerung vor der Osterweiterung noch geleistet werden muss. Heute glaubt Verheugen, auch dies in seinen Augen eine Folge seines Interviews, dass ihn die 15 EU-Staaten in seinem Erweiterungs-Eifer voll unterstützen: "Die wollen es wirklich".

Verheugen drückt bei der EU-Erweiterung aufs Tempo. Das macht er auch am Montag in Berlin deutlich: Schon jetzt will er die schwedische EU-Ratspräsidentschaft, die offiziell erst am 1. Januar 2001 die Geschäfte übernimmt, in die Verhandlungen einbinden. Der Prozess der Erweiterung soll "verdichtet" werden, stellt sich Verheugen vor. Dazu kann man notfalls auch schon einmal ein Verhandlungskapitel abschließen, auch wenn noch ein paar Details offen sind, erkärt er den Zuhörern, die der Einladung des Instituts für Europäische Politik gefolgt sind.

Derzeit verhandeln zehn osteuropäische Staaten sowie Zypern und Malta über einen EU-Beitritt. Mit der Türkei soll darüber hinaus eine Beitrittspartnerschaft ausgehandelt werden. In den Gesprächen mit Polen, Estland, Tschechien, Slowenien, Ungarn und Zypern sind bereits alle der derzeit 29 relevanten Verhandlungskapitel eröffnet worden. Mit Rumänien, der Slowakei, Lettland, Litauen, Bulgarien und Malta dürfte die EU-Kommission nach den Worten von Verheugen bis zum Jahresende zwischen neun und 17 Verhandlungskapitel eröffnet haben. Für die Gespräche sieht der Erweiterungskommissar eine Wendemarke erreicht - den Punkt zwischen dem rein technischen Austausch von Informationen zwischen Brüssel und den Kandidatenländern sowie den "echten" politischen Verhandlungen. Ab dem kommenden Jahr werde es "etwas heißer zugehen", prophezeit der EU-Kommissar.

Welchen Fortschritt die zwölf Kandidaten auf dem Weg in die EU machen, wird im November in einem Bericht der Kommission nachzulesen sein. Vorab verrät Verheugen so viel: Dem Problem der Korruption wird in den Fortschrittsberichten ein eigenes Kapitel gewidmet sein. Da die Kandidatenstaaten noch lange auf Fremdkapital angewiesen sind, wollen die Investoren auch über den Stand der Korruptionsbekämpfung in den einzelnen Kandidatenstaaten informiert sein. "Korruption ist kein folkloristisches Element, sondern ein wirkliches Krebsübel der modernen Gesellschaft."

Zypern wird nach der Einschätzung Verheugens "zu den Ersten gehören, mit denen wir abschließen werden." Die Voraussetzungen, zu einer Lösung des Zypern-Problems zu kommen, seien so günstig wie noch nie. Der Präsident der international nicht anerkannten "türkischen Republik Nordzypern", Rauf Denktasch, dürfe im Rahmen des Beitrittsprozesses nicht "übrig bleiben". Verheugens Hinweis hat seinen Grund: Denn ein Beitritt der Türkei - wann auch immer er erfolgen würde - hätte nicht automatisch die Aufnahme des türkischen Zypern-Teils zur Folge.

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