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Önder saß für die HDP im Parlament und vermittelte zwischen dem Staat und der PKK.

© Imago/Altan Gocher

Opposition in der Türkei: Der Friedensprozess endet im Gefängnis

Sirri Süreyya Önder, der Verhandlungsführer der Kurden, muss wegen „Terrorpropaganda“ ins Gefängnis. Ein Porträt.

So mancher Politiker in Ankara würde die Szene wohl am liebsten aus den Fernseharchiven löschen: Am Vormittag des 28. Februar 2015 trafen sich hochrangige Politiker der Erdogan-Partei AKP mit Unterhändlern der Kurdenpartei HDP zu einem feierlichen Handschlag im Dolmabahce-Palast, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten in Istanbul. Zusammen verkündeten sie eine Grundsatzeinigung zur friedlichen Beilegung des Kurdenkonfliktes. Drei Jahre später kann von einer Verständigung keine Rede mehr sein. Jetzt wurde der Friedensprozess gewissermaßen offiziell zu Grabe getragen: Der damalige Verhandlungsführer der Kurden, der Regisseur und Ex-Abgeordnete Sirri Süreyya Önder, wurde ins Gefängnis gesteckt.

Önder rief zur Beendigung des bewaffneten Kampfes auf

Der Handschlag 2015 war der Höhepunkt der Suche nach einer Lösung für einen Konflikt, der in den vergangenen Jahrzehnten mehrere zehntausend Menschen das Leben gekostet und Millionen weitere zu Flüchtlingen gemacht hat. Wenige Monate danach zerbrach die Waffenruhe der PKK und den türkischen Sicherheitskräften. Önder, 56, ist selbst kein Kurde, auch wenn er für die HDP im Parlament saß und zwischen dem Staat und der PKK-Führung vermittelte. Nachdem er sich einen Namen als Regisseur gemacht hatte, stieß Önder als Kolumnist linksliberaler Zeitungen zur HDP – sein Engagement war ein Zeichen für die Attraktivität der Kurdenpartei für nicht-kurdische Intellektuelle.

Beim Treffen in Dolmabahce rief Önder die PKK zur offiziellen Beendigung des bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat auf. Doch die Hardliner in der PKK begannen wenig später mit neuen Mordanschlägen auf Polizisten, Erdogans militärische Antwort kam prompt: Seitdem regiert wieder die Gewalt.

"Die Demokratie wird siegen"

Önders Eintreten für den Frieden wurde ihm nicht gedankt: Seine dreieinhalbminütige Ansprache, in der er für den Frieden warb, wertete die türkische Justiz als verbotene „Terrorpropaganda“. „Die Reise von Dolmabahce endet im Gefängnis“, kommentierte der Oppositionsjournalist Yalcin Dogan in einem Beitrag für die Nachrichtenplattform T24.

Als Önder jetzt seine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten antrat, wandte er sich vor der Haftanstalt Kandira östlich von Istanbul noch einmal an die türkische Öffentlichkeit. Er stehe hinter seiner Rede von damals, sagte er. „Frieden und Demokratie werden siegen.“ Dann hob er seinen Arm zu einem letzten Gruß und verschwand hinter dem hohen Tor.

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