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Der Traum von Kreuth im Internet. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder muss kreativ werden, um das Schrumpfen seiner Partei zu stoppen.

© Tobias Hase/p-a/dpa

Online-Mitgliedschaft bei der CSU: Auf der Suche nach den virtuellen Christsozialen

Auch die CSU kämpft gegen sinkende Mitgliederzahlen. Das soll eine nicht ganz neue Idee jetzt umkehren.

Von Robert Birnbaum

Die Überschrift klingt vielversprechend. „So einfach wie nie Teil der CSU werden!“ heißt es im Leitantrag zur Parteireform für den CSU-Parteitag in München. Das gilt vor allem für einen neuen Weg, mit dem die CSU den steten Sinkflug ihrer Mitgliederzahlen auf zuletzt unter 140.000 stoppen will: eine Online-Mitgliedschaft. Gedacht ist die als „Angebot an alle, die sich ortsungebunden engagieren möchten“ – und zwar egal, wo sie wohnen, also auch jenseits der bayerischen Landesgrenzen.

Das riecht natürlich gleich nach einer Art Kreuth im Internet. Aber der Traum von einer bundesweiten CSU, den Stammvater Franz Josef Strauß im Wildbad Kreuth vor 43 Jahren kurz träumte, wird auch durch die digitale Hintertür nicht wahr. Damals verhinderte Helmut Kohl die bundesweite Ausdehnung der kleineren Schwesterpartei mit der Drohung, im Gegenzug mit der CDU in Bayern einzumarschieren und Strauß dort Wähler wegzuschnappen. Diesmal versucht es die CSU gar nicht erst. Schaut man hinter die Überschriften ins Kleingedruckte, zeigt sich schnell: Die Online-Mitgliedschaft ist eine Light-Version.

Man muss zwar fürs Online-Parteibuch zahlen – 60 Euro im Jahr, nur 20 Euro weniger als der Mindestbeitrag für Vollmitglieder. Als Gegenleistung landet der künftige virtuelle Christsoziale auch auf den internen Verteilern und darf an Diskussionen und Befragungen teilnehmen. Sobald es aber etwas zu entscheiden gibt, bleibt er außen vor. „Online-Mitglieder haben keine Stimm-, Wahl- oder Antragsrechte in einem Verband“, heißt es unzweideutig in der neuen Satzung.

Ginge es nach Generalsekretär Markus Blume, könnte die Einschränkung gerne entfallen. Es geht aber nach dem Parteiengesetz. Darin schreibt Paragraf 7 das Geografieprinzip fest: „Parteien gliedern sich in Gebietsverbände.“

Der "Virtuelle Ortsverein" der SPD löste sich Anfang der 2000er Jahre auf

An dem schlichten Satz bissen sich schon die Pioniere der Online-Mitgliedschaft die Zähne aus. Der „Virtuelle Ortsverein“ der SPD, 1995 kurz nach dem Start des Internet in seiner heutigen Form gegründet, löste sich Anfang der 2000er Jahre selbst auf. Als historisches Anschauungsmaterial für den so frustrierenden wie ergebnislosen Kampf darum, wenigstens ein Antragsrecht für Parteitage zu erhalten, ist er bis heute im Netz zu finden. Die FDP bietet dort sogar einen „Landesverband Net“ auf. Aber auch dieser Name täuscht. Der „Verband“ ist nur eine Vorfeldorganisation ohne Recht auf Mitbestimmung in der Mutterpartei.

Die ist ordentlichen Mitgliedern sowie – mit einigen Einschränkungen – Gastmitgliedern vorbehalten. Und die müssen im Regelfall zu einem Ortsverband gehören, in dem sie eine Wohnung haben. CDU und CSU räumen sich zwar inzwischen sogar das Recht auf Doppelmitgliedschaft ein. Aber die bleibt symbolisch; die innerparteilichen Mitbestimmungsrechte des Doppelmitglieds enden da, wo sein normales Wahlrecht endet.

Ist das Parteienrecht veraltet?

Dort, im normalen Wahlrecht, liegt auch der Ursprung der Gebietsklausel. Sie soll dafür sorgen, dass sich Parteien entlang der Wahlgebiete organisieren, um auf den verschiedenen Ebenen an der Willensbildung mitzuwirken – also in Ort, Kreis, Bezirk, schließlich Land und Bund. Das entspricht dem Prinzip der Subsidiarität, den historisch gewachsenen Strukturen und eben dem Wahlrecht, das die Stimmabgabe im Normalfall ebenfalls an den Wohnsitz koppelt.

Internet-Aktive finden zumindest das Parteienrecht an der Stelle veraltet. Aber über theoretische Lippenbekenntnisse hinaus hat bisher keine der Parteien, die im Bundestag vertreten sind, daran etwas zu ändern versucht. Dafür hat sich der Paragraf 7 viel zu tief in ihren eigenen Strukturen eingenistet. In der CSU, aber auch in den anderen Parteien ist allein schon der Regionalproporz eine heilige Kuh. Die mag keiner schlachten, weil alle davon profitieren. Dass zum Beispiel bei der CDU demnächst die weitgehend unbekannte Bundestagsabgeordnete Silvia Breher Vize-Parteichefin werden soll, verdankt die 46-Jährige mit der Schopffrisur vor allem dem Umstand, dass sie wie ihre prominente Vorgängerin Ursula von der Leyen aus Niedersachsen kommt.

Dass sie eine Frau ist, hilft Breher ebenfalls. Frauen und Junge sind auch in der CSU-Parteireform wichtige, weil schwach vertretene Zielgruppen. Die interne Frauen-Zielquote soll nun von 40 Prozent auf die Hälfte steigen, ein Vorstandsposten für Jüngere reserviert werden. Generalsekretär Blume setzt zugleich auf sanften Druck. Neumitglieder der Frauen-Union sollen automatisch Parteimitglieder werden; heutigen Mitgliedern der Frauenorganisation soll ein kostenloses zweijähriges Probe-Abo den Parteieintritt schmackhaft machen. Allein dadurch, rechnet Blume vor, könnte die CSU ihren Frauenanteil – heute magere 20 Prozent – um fast 30 Prozent steigern.

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