zum Hauptinhalt
US-Präsident Joe Biden.

© REUTERS/Kevin Lamarque/File Photo

Ohnmacht in der Supermacht: Waffengewalt in den USA – auch unter Biden ist nichts besser geworden

Seit Jahrzehnten kämpft der US-Präsident vergeblich für schärfere Waffengesetze. Auch das Schulmassaker in Uvalde wird daran wohl nichts ändern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Eine Eigenschaft, die auf der ganzen Welt mit den USA verbunden wird, ist der schier unzerstörbare Optimismus. Der amerikanische Traum, dass alles möglich ist, wenn man hart dafür arbeitet. Dafür lieben viele Menschen Amerika und träumen davon, dort zu leben.

US-Präsident Joe Biden ist ein Vertreter dieser Philosophie: Er ist angetreten, das Land aus seinen massiven Krisen zu führen, es zu heilen und die tief gespaltene Gesellschaft zusammenzuführen.

Doch mit dem grauenhaften Massaker an einer Grundschule in Texas rückt nun wieder ein Politikfeld in den Fokus, das so eindrücklich wie kaum ein anderes zeigt, wie wenig der wichtigste Bewohner des Weißen Hauses am Ende entscheiden kann: die Frage, auf welche Weise der Besitz von Waffen reguliert werden soll.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.]

Nach den Schüssen, mit denen ein 18-Jähriger in Uvalde 19 Kinder und zwei Erwachsene getötet hat, ist die Trauer schnell der Wut gewichen. Darüber, dass nichts getan wurde, um solch eine Katastrophe zu verhindern. Und darüber, dass sich daran auch künftig nichts ändern wird.

Biden selbst symbolisiert dieses Dilemma: Seit Jahrzehnten setzt sich der Demokrat für schärfere Waffengesetze ein. Barack Obama machte ihn als seinen damaligen Vizepräsidenten nach der Tragödie an der Sandy-Hook-Grundschule vor zehn Jahren zu seinem Beauftragten für dieses Thema.

Immer mehr Amerikaner legen sich Waffen zu

Doch unter dem Strich lautet die Bilanz von Bidens Einsatz: Nichts ist besser geworden. Im Gegenteil. Immer mehr Amerikaner legen sich Waffen zu, zunehmend auch Frauen, die sich bedroht fühlen. Und die Zahl der Toten durch Waffengewalt steigt auf immer neue Rekordhöhen.

[Lesen Sie auch: Das sind die Opfer von Uvalde – und ihre Geschichten (T+)]

Keine Frage: Die Hauptverantwortung dafür tragen die Republikaner und die mit ihr eng verbundene Waffenlobby NRA, die sich ausgerechnet an diesem Freitag zu ihrem Jahrestreffen in Texas versammeln – nur wenige Autostunden von Uvalde entfernt. Reden werden unter anderem Donald Trump und Gouverneur Greg Abbott. Abbott hat es mal als Ziel ausgegeben, dass Texas der Bundesstaat sein solle, in dem die meisten Waffen gekauft würden.

Waffenlobbyisten und Republikaner sind eng verbunden

Die Waffenbrüder im Geist stemmen sich immer wieder gegen schärfere Gesetze – aus Angst, man könnte ihnen ihr in der Verfassung gesichertes Recht auf Waffenbesitz beschneiden. Waffen gehörten seit jeher zur Kultur Amerikas, und das müsse so bleiben, argumentieren sie, denn jeder müsse die Möglichkeit haben, sich in einer gefährlichen Welt selbst zu verteidigen.

Dabei dürften die Gründerväter kaum halbautomatische Sturmgewehre in den Händen von 18-Jährigen im Sinn gehabt haben, als sie die Verfassung schrieben.

[Lesen Sie auch: AR-15 – warum morden so viele US-Attentäter mit diesem Gewehr? (T+)]

Aber Aktivisten wie Cameron Kasky, einer der Überlebenden des Amoklaufs an einer High-School in Parkland/Florida 2018, wenden sich auch gegen die Untätigkeit der regierenden Demokraten. Nach Bidens emotionaler Ansprachen am Dienstagabend kritisierte er, der Präsident zeige sich zwar betroffen, aber er habe nicht gehört, was Biden nun tatsächlich zu tun gedenke. Wenn Biden den Kongress nicht von der Notwendigkeit schärferer Gesetze überzeugen könne, so Kasky im Sender CNN, dann müsse er eben per Regierungserlass handeln.

Die Mehrheit der Amerikaner will strengere Regulierung

Auch der Demokrat Beto O’Rourke, der im November Abbott ablösen will, hat die Wut am Mittwoch zum Ausdruck gebracht. Bei einer Pressekonferenz, bei der Abbott psychische Probleme des Täters als Ursache des Massakers von Uvalde ausmachte, unterbrach O’Rourke den Gouverneur und warf ihm erbost Untätigkeit angesichts der Schusswaffengewalt vor.

Den zornigen Auftritt, der in rechten Kreisen als unzulässige politische Instrumentalisierung gegeißelt wurde, empfinden viele aber als überfälligen Anstoß, um die Lethargie abzuschütteln. Denn die überwältigende Mehrheit der Amerikaner will Umfragen zufolge schärfere Waffengesetze. Dies in politische Mobilisierung und letztlich in bessere Gesetze zu übersetzen, ist für viele ein Traum – und es ist Aufgabe der Politik.

Zur Startseite