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Norbert Hofer, der designierte FPÖ-Vorsitzende nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache

© dpa/Georg Hochmuth

Österreich vor Neuwahlen: Ein Versuchslabor für die Sozialdemokratie

Die SPÖ fährt in Österreich in ihrem Verhältnis zur FPÖ eine Doppelstrategie. Was andere europäische Sozialdemokraten daraus lernen können.

Österreich zeigt in mehrfacher Hinsicht wie in einem "Laborversuch" die Konsequenzen unterschiedlicher politischer Strategien und Haltungen im Umgang mit Parteien am rechten Rand. Der Fokus liegt im Moment natürlich auf der Frage, ob konservative Parteien wie die ÖVP mit Rechtspopulisten koalieren können. Doch auch Österreichs Sozialdemokraten sind Teil des politischen Feldversuchs. Sie gehören naturgemäß zu den härtesten Kritikern der FPÖ und ihrer Koalition mit der ÖVP unter Sebastian Kurz. Zugleich regiert die SPÖ im Burgenland mit der FPÖ und stellt deshalb dort mit Hans-Peter Doskozil den Landeshauptmann, ein Amt, das einem deutschen Ministerpräsidenten entspricht.

Doskozils Koalition mit der FPÖ war innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie immer umstritten. Allerdings galt sie im Burgenland durchaus als erfolgreich und konnte sich auf ein in der Alpenrepublik sehr bekanntes historisches Vorbild berufen: Der legendäre sozialdemokratische Bundeskanzler Bruno Kreisky ließ sich einst mit seinem Minderheitenkabinett von der FPÖ tolerieren. Sein Nachfolger Fred Sinowatz bildete sogar nach 1983 eine Koalition aus SPÖ und FPÖ. Kenner der österreichischen Geschichte werden einwenden, damals sei die FPÖ noch eine andere Partei gewesen, aber das stimmt eben nur teilweise. Ihre Genetik wies damals schon im Wesentlichen rechte Elemente auf.

Die SPÖ fährt in Österreich mit zwei FPÖ-Strategien: Harte Abgrenzung national, Zusammenarbeit im Burgenland

In dem nun beginnenden österreichischen Wahlkampf der Sozialdemokratie landesweit und im Burgenland werden sich vermutlich zwei entgegengesetzte politische Strategien offenbaren: Auf der Ebene der Republik wird die SPÖ wohl versuchen, sich mit klassischen Forderungen nach der Vermögenssteuer und nach mehr sozialer Gerechtigkeit klar links zu verorten. Im Burgenland wird es interessant sein, wie sich Hans-Peter Doskozil aufstellt, denn er gehört zum sogenannten "rechten Flügel" seiner Partei.

Während der Flüchtlingskrise zeigte er ein beeindruckendes humanitäres Engagement, um den nach Österreich strömenden Flüchtlingen zu helfen und verteidigte diese Hilfe gegen Kritik von rechts. Nicht zuletzt, weil er von Beruf Polizist ist, waren ihm aber auch die mit einer weitgehend unkontrollierten Aufnahme verbundenen Risiken immer bewusst. Heute gehört er zu dem Teil der österreichischen Politik, die offensiv für eine Begrenzung der Zuwanderung eintritt. Nicht aus Fremdenfeindlichkeit, sondern weil er weiß, dass eine gute und nachhaltige Integration ihre Grenzen hat, wenn die Zahl der Zuwanderer sehr hoch ist. Er wird im Burgenland vermutlich neben den sozialen und wirtschaftlichen Themen stark für Sicherheit und Ordnung eintreten.

Beide politischen Strategien der Sozialdemokratie in Österreich - die auf Landesebene und die auf regionaler Ebene - zielen auf den Teil der Wählerinnen und Wählern ab, die in der Vergangenheit eher zur Sozialdemokratie neigten, aus Enttäuschung aber die Populisten der FPÖ zu wählen. Vor allem Frauen aus den unteren und mittleren Einkommensgruppen, die zwischenzeitlich FPÖ gewählt hatten, dürfte die Strache-Posse ein Graus sein. Die SPÖ versucht, diese Wähler(innen) zurückzuholen. Entweder durch einen scharfen Linkskurs in der Sozial- und Wirtschaftspolitik oder durch die Kombination aus sozialer und innerer Sicherheit. Man darf gespannt darauf sein, welche der beiden politischen Strategien zum Erfolg führt.

Dänemarks Sozialdemokraten sind damit erfolgreich, in sozialpolitischen Fragen links und in der Migrationspolitik rechts zu sein

Dänemarks Sozialdemokraten zum Beispiel haben sich - zum skeptischen Erstaunen ihrer Nachbarn - für eine Doppelstrategie entschieden: innenpolitisch und in Migrations- und Flüchtlingsfragen sehr restriktiv - man könnte auch sagen: rechts - und in sozial- und wirtschaftlichen Fragen links. Denn beides bewegt ihre früheren traditionellen Wählerinnen und Wähler gleichermaßen. Alle Umfragen stehen die dänischen Sozialdemokraten für die nationalen Wahlen im Juni vor einem Wahlsieg.

Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel ist Autor der Holtzbrinck-Gruppe, zu der auch der Tagesspiegel gehört. Er war von 2009 bis 2017 Vorsitzender der SPD.

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