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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán am Dienstag im Parlament in Budapest.

© Attila Kisbendek/AFP

Ölboykott der EU: Orbáns Poker und was dahinter stecken könnte

Warum blockiert Ungarns Regierungschef das geplante EU-Ölembargo? Laut EU-Diplomaten will er „den Preis so hoch wie möglich treiben“.

Drei Wochen sind inzwischen vergangen, seit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Europaparlament in Straßburg ihren Plan für die Verhängung eines Ölembargos gegen Russland verkündete. Doch getan hat sich in der Zwischenzeit wenig. Das liegt in erster Linie am ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, der weiter den geplanten Lieferstopp für russisches Öl auf EU-Ebene blockiert. Möglicherweise geht es Orbán mit seiner Hinhaltetaktik darum, möglichst viele EU-Gelder zur Umstellung der ungarischen Energiewirtschaft zu erhalten.

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„Dies würde Orbans üblicher Vorgehensweise entsprechen“, hieß es am Mittwoch in EU-Diplomatenkreisen mit Blick auf entsprechende Spekulationen. Darauf deuteten auch öffentliche Äußerungen seiner Minister hin, hieß es weiter. Es gehe Orbán darum, „den Preis so hoch wie möglich zu treiben und dabei den Hebel eines Vetos einzusetzen“.

Damit das geplante EU-Ölembargo gegen Russland beschlossen werden kann, müssen sämtliche 27 EU-Staaten zustimmen. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto hatte erklärt, dass 15 bis 18 Milliarden Euro nötig seien, um die Unabhängigkeit seines Landes von russischem Öl zu sichern.

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Milliardenangebot von EU-Kommissarin Simson

Auch EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte Milliardensummen für eine Unterstützung Ungarns bei der Umstellung der Energiewirtschaft ins Gespräch gebracht – allerdings in einer geringeren Größenordnung. Nach den Worten von Simson könne die EU-Kommission eine Summe von bis zu zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um Ungarn, der Slowakei und Tschechien bei der Loslösung von russischen Öllieferungen zu helfen.

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Ungarn verfügt über keinen Seehafen, an dem Tanker mit alternativen Öllieferungen etwa aus Nahost festmachen könnten. Das Land ist zur Versorgung mit Öl vollständig auf ein Pipeline-Netz angewiesen, das aber nach jetzigem Stand noch aus der Sowjetzeit stammt. Die Versorgung erfolgt wie auch im Fall der Slowakei und Tschechiens über den Südstrang der Pipeline „Druschba“ („Freundschaft“).

Orbán sieht keine Einigungschancen vor EU-Gipfel

Zu Beginn der Woche hatte Orbán dem EU-Ratschef Charles Michel schriftlich mitgeteilt, es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass vor dem EU-Sondergipfel am kommenden Montag und Dienstag in Brüssel eine umfassende Lösung gefunden werden könne. Zudem warnte er davor, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionen zu „schweren Störungen der Energieversorgung“ in Ungarn führen würden. Auch mit einem weiteren massiven Anstieg der Energiepreise sei zu rechnen, schrieb Orbán weiter.

Weder Orbán noch der EU-Kommissionschefin von der Leyen ist offenbar daran gelegen, dass die technischen Details des Ölembargos beim Gipfel in der kommenden Woche besprochen werden. Der Gipfel sei nicht der richtige Ort für eine solche Entscheidung, hatte von der Leyen am Dienstag gesagt.

Bundesregierung setzt auf schnelle Einigung

Auch aus Regierungskreisen in Berlin hieß es am Mittwoch, dass ein Austausch zum sechsten Sanktionspaket gegen Russland, welches auch das Ölembargo umfasst, bislang nicht auf der Tagesordnung des bevorstehenden Sondergipfels stehe. Deutschland habe Verständnis dafür, dass man bei den Gesprächen über das Ölembargo auf die besondere Situation der Binnenländer Ungarn, der Slowakei und Tschechien eingehe, hieß es weiter. Gleichzeitig unterstütze die Bundesregierung Bemühungen, „um zu einer schnellen Lösung zu kommen“. Ein EU-Beschluss über das geplante Ölembargo ohne Ungarn sei „eher schwierig“, hieß es in den Regierungskreisen weiter.

Budapest hat zudem Probleme mit den Vorschlägen aus Brüssel, weil die von der EU-Kommission in Aussicht gestellte Summe in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro für Ungarn, die Slowakei und Tschechien aus einem Programm namens „RePower EU“ fließen sollen. Der Großteil dieser Gelder soll indes aus dem milliardenschweren Corona-Hilfsfonds der Gemeinschaft kommen, der noch nicht ausgeschöpft ist.

Auf den Corona-Hilfsfonds hat Ungarn allerdings derzeit keinen Zugriff, weil Orbáns nationalkonservative Regierung bislang die nötigen rechtsstaatlichen Bedingungen nicht erfüllt. Aus den Regierungskreisen in Berlin hieß es dazu, es wäre sinnvoll, die noch offenen Fragen zwischen Budapest und Brüssel zu lösen, damit Ungarns nationaler Wiederaufbauplan zur Freigabe der Gelder aus dem Corona-Hilfsfonds genehmigt werden könne.

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