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Vor dem Ende? Die Jugendämter wollen keine Kinder mehr an die Odenwaldschule schicken – jedenfalls vorerst nicht. Foto: ddp

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Odenwaldschule: Preis des Missbrauchs

Die Jugendämter wollen keine Kinder mehr an die Odenwaldschule schicken – jedenfalls vorerst nicht. Ein Zeitplan muss her, forder der Kosprecher des Trägervereins.

Berlin - Norbert Hofmann ist noch verhalten optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass am 29. Mai eine gewisse Selbstreinigung stattfinden wird“, sagt der Kosprecher des Trägervereins der umstrittenen Odenwaldschule (OSO). „Sollte aber keine Reaktion erfolgen, wäre das ein alarmierendes Signal.“ Die Reaktion, die sich Hofmann wünscht, ist der Vereinsaustritt von acht Mitgliedern, die den Vorwürfen nicht energisch genug nachgegangen sind,an der Schule im südhessischen Ober-Hambach seien Schüler jahrelang sexuell missbraucht worden. Am 29. Mai findet die nächste Mitgliederversammlung statt.

Alarmierend wäre das Signal für Hofmann nicht bloß aus moralischer Sicht. Die Zukunft der Odenwaldschule steht auf dem Spiel. Es geht konkret ums wirtschaftliche Überleben einer Unesco-Modellschule, die gerade ihr hundertjähriges Bestehen feierte. „Wenn nichts passiert“, sagt Hofmann, „ist die Schule in zwei, drei Jahren pleite.“

Im Moment passiert vor allem bei den Jugendämtern im Bereich des Kreises Bergstraße nichts. In dem liegt die Odenwaldschule. Die Jugendämter schicken derzeit keine neuen Jungen und Mädchen an die Schule fürs nächste Schuljahr. Und das trifft die Schule in ihrem Kern. Denn bislang haben Jugendämter in ganz Hessen pro Schuljahr acht bis zehn neue Schüler an die Lehranstalt überwiesen. Das entspricht einem Drittel aller jährlichen Neuaufnahmen. Diese Schüler kommen aus zerrütteten Verhältnissen. Derzeit gibt es an der OSO insgesamt rund 200 Schüler, die im Internat leben. Dazu kommen noch rund 25 externe Schüler. Rund ein Drittel all dieser Schüler ist von den Jugendämtern in Hessen geschickt worden.

Das Schulgeld liegt bei monatlich 2400 Euro. In der Summe kassiert die Odenwaldschule von den übers Jugendamt zugewiesenen Schülern also einen enormen Betrag. Den benötigt sie aber auch. So kümmern sich allein acht Mitarbeiter um die tägliche Wäsche. Dazu kommen weitere erhebliche Personalkosten.

Matthias Wilkes (CDU), der Landrat des Kreises Bergstraße, hat die Zuweisungen erst mal unterbunden. Denn ihm geht die Aufklärung der Vorfälle nicht schnell genug. Vor allem die Differenzen im Trägerverein haben ihn alarmiert.

Dass derzeit nur der Kreis Bergstraße so dezidiert zurückhaltend bei den Überweisungen ist, hat wenig zu bedeuten. Hofmann ist erfahren genug, dass er Wilkes Entscheidung auf seine politische Wirkung einschätzen kann. Schließlich war er Wilkes Vorgänger als Landrat. „Wenn ein Landrat so etwas sagt, ist das alarmierend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Kollegen aus anderen Landratsämtern dann problemlos Kinder an die OSO schicken“, sagt Hofmann. Wilkes Kollegen beobachten derzeit noch die Lage. Aber in einem Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“ hatte Wilkes schon gesagt: „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass andere Jugendämter im Moment anders entscheiden.“

Damit nicht noch mehr Jugendämter ihre Vermittlung einstellen, fordert Hofmann einen klaren Zeitplan. „Ich denke, es wird Ende 2010 einen Bericht geben. In dem muss klar sein, dass die Schule diese Fälle aufgeklärt und Konsequenzen gezogen hat.“ Er könne sich auch vorstellen, „dass in drei Monaten ein Zwischenbericht für die Jugendämter gefertigt wird“.

Konsequenzen hat bereits die TV-Moderatorin und Ex-OSO-Schülerin Amelie Fried gezogen. Sie will dem Verein doch nicht angehören. Damit reagierte sie auf die Weigerung der acht umstrittenen Mitglieder, aus dem Verein auszutreten.

Hofmann folgt seinem ganz eigenen Zeitplan. Der endet erst mal am 29. Mai. Dann wird sein Kollege Philipp Sturz, der zweite Sprecher des Vereins, zurücktreten. Das hat der Zahnarzt aus Augsburg bereits angekündigt. Sein Protest gegen die Weigerung der acht, den Verein zu verlassen. Hofmann selber wartet erstmal ab. Aber im Notfall wird auch er reagieren. „Sollte am 29. Mai nicht eine deutliche Mehrheit der acht Betroffenen austreten, dann kann ich mein Amt nicht weiter ausüben.“

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