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Erfolgreicher Wahlkampf: Pegida-Kandidatin Festerling kam auf immerhin zehn Prozent der Stimmen.

© Arno Burgi/dpa

Oberbürgermeisterwahl in Dresden: Pegida-Kandidatin Festerling schafft fast zehn Prozent

Vor der Wahl des Oberbürgermeisters hieß es bei Dresdner Lokalpolitikern: Jedes Ergebnis über fünf Prozent für die Pegida-Kandidatin sei eine Schande für die Stadt. Nun erringt sie fast ein Zehntel der Stimmen. Wer die Stadt regieren wird, entscheidet sich erst am 5. Juli.

Um genau 18.29 Uhr wird es laut im Dresdner Stadtmuseum. Ein massiger bärtiger Anzugträger bläst eine Tröte und brüllt in ein Megaphon: "Begrüßen Sie mit mir die neue Oberbürgermeisterin Dresdens." Unter dem Jubel Ihrer Entourage betritt Lara Liqueur den Festsaal des Museums. Die Drag-Queen, die mit bürgerlichem Namen Lars Stosch heißt, ist für die Spaßpartei "Die Partei" als Kandidatin ins Rennen um den Chefsessel der sächsischen Landeshauptstadt gegangen. Dass sie keine ernsthafte Chance hat, war ihr von vornherein klar. Gleichwohl stolziert sie als erstes an den Sektstand, um dieses "großartige Ergebnis gebührend zu feiern". Tatsächlich sind zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei der 445 Dresdner Wahlkreise ausgezählt, Liqueur liegt bei 1,3 Prozent der Stimmen.

Außer den Anhängern der "Partei" ist in diesem Moment auch keinem der Anwesenden so richtig zum Jubeln zumute. Denn der von der Dresdner Stadtverwaltung auf der stetig aktualisierten Auszählungs-Grafik braun eingefärbte Ergebnisbalken der Oberbürgermeister-Kandidatin Tatjana Festerling schiebt sich kontinuierlich Richtung zweistelligen Bereich. Die 51-Jährige freiberufliche Marketingfrau ist für das islam- und fremdenfeindliche Pegida-Bündnis als Kandidatin angetreten.

"Mächtiger Arschtritt"

Den Wahlsonntag hatte sie gemeinsam mit Pegida-Gründer Lutz Bachmann damit verbracht, verschiedenen Wahllokalen Kontrollbesuche abzustatten. Zudem hatte Bachmann schon im Vorfeld angekündigt, den etablierten Parteien einen "mächtigen Arschtritt" zu verpassen. Hinter vorgehaltener Hand hatten Dresdner Lokalpolitiker die Messlatte dafür tief gehängt: Jedes Ergebnis Festerlings, das "deutlich über fünf Prozent" liegt, wäre eine Schande für die Stadt, war man sich fraktionsübergreifend einig. Als gegen 20.15 Uhr fast alle abgegebenen Stimmen ausgezählt sind, haben beinahe doppelt so viele Dresdner ihr Kreuz bei Festerling gemacht wie befürchtet: Die Pegida-Kandidatin landet bei knapp zehn Prozent.

Zu diesem Zeitpunkt hat Markus Ulbig offenbar schon aufgegeben – sein Balken steht da bei gerade einmal 15,4 Prozent. Auf den Fluren des Stadtmuseums heißt es, Sachsens Innenminister, der angetreten war, für die CDU den letzten Chefposten einer deutschen Großstadt zu verteidigen, werde beim nächsten Wahlgang am 5. Juli erst gar nicht mehr antreten. Ulbig, so heißt es, wollte die Kandidatur nicht. Aber als Sachsens Ministerpräsident und CDU-Chef Stanislaw Tillich ihn dazu aufforderte, konnte er schlecht ablehnen. Seine Fallhöhe ist riesig: Dieses miserable Ergebnis, sagen Beobachter, wird Ulbig auch als Innenminister kaum länger tragbar sein lassen. Nach einer Schamfrist, heißt es, könnte er gehen müssen.

Bürgerlicher Kandidat gegen Rot-Rot-Grün

Wenig später tritt Ulbig selbst vor ein Mikrofon und erklärt, dass er den amtierenden Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert, der bei knapp 32 Prozent landet, für Montag zu einem Gespräch eingeladen habe. Ziel, so Ulbig sei "ein gemeinsamer bürgerlicher Kandidat für den zweiten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl". Man dürfe jetzt nicht aus "falsch verstandener Selbstverliebtheitder rot-rot-grünen Kandidatin noch den Sieg ermöglichen".

Bis zu diesem Interview hatten Hilbert, dem viele Beobachter bescheinigen, als Vertreter der erkrankten Stadtchefin Helma Orosz einen guten Job gemacht zu haben, und Ulbig stets öffentlich dementiert, dass es zwischen ihnen eine Absprache gebe. Nun wird klar: Der schlechter Platzierte verzichtet zugunsten des anderen – und damit zulasten von Sachsens Wissenschaftsministerin Eva Maria Stange.

Die Kandidatin, die von einem Bündnis aus SPD, Linken, Grünen und Piraten unterstützt wird, hat an diesem Abend mit knapp 36 Prozent die meisten Stimmen eingefahren. Sie gibt sich optimistisch, das auch mit dem Deal der konservativen Männer für den zweiten Wahlgang, für den die einfache Mehrheit reicht, "noch nichts entschieden" ist. Genau deshalb will auch Drag Queen Lara Liqueur noch einmal antreten. Am Ende erreichte sie 2,5 Prozent der Stimmen.

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