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In vielen jüdischen Gemeinden - hier das Tor zur Synagoge in der Berliner Rykestraße - stellen Zuwanderer heute die größte Gruppe.

© Paul Zinken/dpa

Nur Spätaussiedler dürfen derzeit nach Deutschland: Benachteiligung der jüdischen Zuwanderer muss ein Ende haben

Spätaussiedler dürfen trotz der Coronakrise wieder nach Deutschland, jüdische Zuwanderer aber nicht. Diese Ungleichbehandlung ist ein Skandal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Jüdische Bürger in Russland und Belarus, die nach Deutschland auswandern wollen, hat die Coronakrise besonders hart getroffen. Die Brücken zu ihrem bisherigen Leben mussten sie abbrechen, doch ein Visum für Deutschland bekamen sie nicht. So standen sie plötzlich mit leeren Händen da, ohne Arbeit, ohne eigene Wohnung, ohne Schulplatz für die Kinder.

Diese für die Betroffenen dramatische Situation hält bis heute an, obwohl die Bundesregierung bereits Ausnahmen von den Einreisebeschränkungen gestattet: Russische Fachkräfte dürfen ebenso nach Deutschland wie Studierende. Nur für die jüdischen Zuwanderer macht die Bundesregierung keine Ausnahme. Das allein ist schon unverständlich. Zum Skandal wird der Vorgang aber dadurch, dass Spätaussiedler von der Bundesregierung längst grünes Licht erhalten haben.

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Beide Gruppen haben aus historischen Gründen einen Anspruch auf Einwanderung nach Deutschland. Doch indem nun die Spätaussiedler kommen dürfen, die jüdischen Zuwanderer jedoch nicht, sendet die Bundesregierung – im besten Fall unabsichtlich – das fatale Signal, dass am Ende die deutsche Abstammung mehr zählt als die historische Verpflichtung dieses Landes gegenüber den Juden.

Auch im Rentenrecht werden jüdische Zuwanderer benachteiligt

Von einer bürokratischen Panne kann man in diesem Fall leider nicht ausgehen. Denn auch in anderen Bereichen werden jüdische Zuwanderer gegenüber den Spätaussiedlern seit Jahren systematisch benachteiligt, insbesondere im Rentenrecht. Vielen von ihnen droht deshalb in Deutschland die Altersarmut. Bis heute ist es der Bundesregierung nicht gelungen, dieses Problem zu lösen.

Die Benachteiligung der jüdischen gegenüber den „deutschen“ Zuwanderern muss endlich ein Ende haben. An Gedenktagen betonen Vertreter von Staat und Regierung gern, wie wichtig es sei, dass es nach dem Holocaust wieder ein vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass dies nicht nur ein schöner Satz für Sonntagsreden ist.

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