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Politik: Nur keine Zersplitterung mehr

Von Albrecht Meier In 577 Wahlbezirken entscheidet sich bei den Parlamentswahlen im Juni, ob die Franzosen weiter von der ungeliebten Kohabitation regiert werden oder nicht. Nach einer Umfrage des Ipsos-Institutes befürworten 62 Prozent der Franzosen eine Verfassungsänderung, damit es künftig nicht mehr zur Kohabitation - dem Nebeneinander von Präsident und Premierminister aus unterschiedlichen politischen Lagern - kommt.

Von Albrecht Meier

In 577 Wahlbezirken entscheidet sich bei den Parlamentswahlen im Juni, ob die Franzosen weiter von der ungeliebten Kohabitation regiert werden oder nicht. Nach einer Umfrage des Ipsos-Institutes befürworten 62 Prozent der Franzosen eine Verfassungsänderung, damit es künftig nicht mehr zur Kohabitation - dem Nebeneinander von Präsident und Premierminister aus unterschiedlichen politischen Lagern - kommt. Dennoch ist es keineswegs ausgeschlossen, dass sich Frankreichs Politiker nach den Parlamentswahlen erneut in einer derartigen Zwangsehe wiederfinden. Falls die Sozialisten in den beiden Wahlgängen am 9. und 16. Juni eine Mehrheit erringen sollten, müsste der konservative Präsident Jacques Chirac einen linken Ministerpräsidenten akzeptieren.

Am vergangenen Wahlsonntag veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Sofres eine Umfrage, wonach die bürgerlichen Parteien in der zweiten Runde der Parlamentswahlen 37 Prozent der Stimmen und zwischen 271 und 331 der insgesamt 577 Sitze in der Nationalversammlung erwarten können. Danach kämen die Kandidaten der Linken auf 41 Prozent und auf 232 bis 272 Sitze. Der rechtsextremen Front National, die bislang im Parlament nicht vertreten ist, werden nach der Umfrage 16 Prozent der Stimmen und ein bis drei Mandate vorausgesagt.

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen waren im April insgesamt 16 Kandidaten angetreten. Welche Folgen eine derartige Zersplitterung der politischen Landschaft haben kann, wurde den Sozialisten bewusst, als der Vorsitzende der Front National, Jean-Marie Le Pen, plötzlich an Stelle ihres Haupt-Kandidaten Lionel Jospin in der zweiten Runde der Wahl stand. Auch die deutliche Niederlage Le Pens hielt die Front National (FN) nicht davon ab, noch am Sonntagabend eine Ankündigung mit Folgen zu machen: Die FN will in allen Wahlbezirken Kandidaten aufstellen.

Le Pen und Chirac verbindet eine jahrelange Erz-Feindschaft. Dem Chef der Front National ist daran gelegen, das bürgerliche Lager bei der Parlamentswahl möglichst zu schwächen - schließlich dürfte ihm eine Neuauflage der Kohabitation mit der politischen Selbstblockade auch wieder neue Anhänger zutreiben. Natürlich kennen Frankreichs Politiker dieses Dilemma nicht erst seit Sonntag. Das bürgerliche Lager und die Sozialisten wollen eine Zersplitterung der Voten wie beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen diesmal verhindern. So hofft Chirac, sich mit dem bürgerlichen Block „Union pour la majorité présidentielle“ (Union für die präsidentielle Mehrheit) eine Parlamentsmehrheit zu sichern. Am Montag gewann sein Bündnis neuen Zulauf: Alain Madelin, der im Parlament die Fraktion der Liberalen anführt und in der ersten Präsidentschafts-Runde nicht über fünf Prozent kam, versicherte dem Präsidenten-Lager seine Unterstützung. Gegen Chiracs Bündnis sträubt sich dagegen weiter François Bayrou, der Chef der „Union pour la Démocratie Française“ (UDF). Bayrou hatte im ersten Präsidentschafts-Wahlgang das viertbeste Ergebnis nach Chirac, Le Pen und Jospin errungen.

Auf der anderen Seite wollen die Sozialisten für die Parlamentswahl ein Bündnis mit Grünen, Kommunisten und anderen Linksparteien eingehen. In über 100 Wahlbezirken soll nur ein einziger Kandidat der Linken zur Wahl stehen. Nur wer ihr Wahl-Zugpferd werden soll, ist noch unklar. Im Gespräch ist unter anderem Ex-Finanzminister Laurent Fabius.

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