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Ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht zur sächsischen Collm-Klinik Oschatz.

© Jan Woitas/dpa

Nur 50 Einsatzwagen für ganz Deutschland: Reichen die Intensivtransporter in der Pandemie?

Kliniken mit vielen Covid-19-Patienten können entlastet werden, wenn diese in andere Krankenhäuser verlegt werden. Doch es gibt nur wenige Transportmittel.

Täglich werden Hunderte Intensivpatienten mit einer Covid-19-Erkrankung in deutsche Krankenhäuser eingeliefert. Die Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsgeräten ist laut DIVI-Zahlen am Donnerstag auf 3362 geschrumpft. Auch das medizinische Personal wird immer knapper, weil es sich zum Teil selbst mit dem Coronavirus infiziert.

Um die Überlastung der Kliniken zu vermeiden, soll die von Intensivmedizinern mitentwickelte „Kleeblatt-Strategie“ helfen: Deutschland ist in fünf Regionen eingeteilt, um Intensivpatienten zwischen diesen bei Bedarf umzuverteilen.

„Jede Region verfügt über einen zentralen Koordinator. Alle fünf besprechen sich derzeit einmal in der Woche“, erläutert Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein das Konzept.

Doch für die Verlegung von schwer kranken und zu beatmenden Covid-19-Patienten braucht es noch etwas weiteres, nämlich speziell ausgerüstete Intensivtransportwagen.

Nur 35 bis 40 dieser Intensivtransporter soll es bundesweit geben, wie Christoph Josten, Direktor des Uniklinikums Leipzig der „Zeit“ sagte. Das Institut für Rettungs- und Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein listet hingegen rund 50 solcher speziell ausgerüsteter Intensivtransporter und etwa 25 Intensivtransporthubschrauber (ITH).

Hubschrauber und Bahn sollen im Notfall aushelfen

Doch was passiert, wenn diese wenigen Intensivtransporter alle im Einsatz sind und weitere Intensivpatienten in andere Kliniken verlegt werden müssen? „Wo man mit vorhandenen Mitteln wie Intensivtransportwagen nicht weiterkommt, gibt es alternative Transportmittel“, sagte ein Sprecher der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) am Donnerstag.

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Zu diesen Transportmitteln gehören demnach „zum Beispiel Helikopter, aber auch Mittel des Bundes wie die Deutsche Bahn“, der Bundeswehr oder verschiedene Luftrettungsdienste. Für das Land Berlin sind beispielsweise insgesamt fünf Intensivtransporter im Einsatz: „Drei weitere Rettungswagen werden wir zu Intensivtransportern umrüsten“, sagte Thomas Kirstein, Sprecher der Berliner Feuerwehr, auf Anfrage.

Ein Hubschrauber der DRF Luftrettung, die ebenfalls bei Patientenverlegungen aushelfen kann.
Ein Hubschrauber der DRF Luftrettung, die ebenfalls bei Patientenverlegungen aushelfen kann.

© Foto: obs/Maximilian Klaritsch/DRF Luftrettung

Ein Intensivtransporthubschrauber sei zudem in Berlin stationiert, der im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz kommen könne. „Zurzeit werden wir sehr in Anspruch genommen, was die Einsätze mit den Intensivtransportern angeht.“

Zwei bis drei Stunden könne der Transport eines einzigen Intensivpatienten dauern, denn es müsste Medizintechnik wie Beatmungsgeräte mitgenommen und aufwendig desinfiziert werden. „Für den Transport brauchen wir außerdem mindestens drei Einsatzkräfte: Einen Arzt, einen Rettungssanitäter und einen Notfallsanitäter.“

Aus diesem Grund sei weniger die Zahl der Intensivtransporter entscheidend als die Frage nach genug Einsatzkräften, die zu beatmende Covid-19-Patienten auch verlegen könnten. Der Intensivtransport von Covid-19-Patienten ist aufwendig, wie der Rettungsmediziner Gräsner Anfang Dezember bei der Jahrestagung der DIVI Anfang erklärte.

Furcht vor Konkurrenzsituation bei Intensivtransportern

Nach Gräsners Worten sollen die normal genutzten und pandemiestrategisch genutzten Intensivtransporter möglichst nicht miteinander konkurrieren. Dafür würden sich die Kleeblatt-Regionen untereinander abstimmen, damit an den Abfahrt- und Zielorten auch genug Intensivtransporter vorhanden sind, wie der Notfallmediziner Gräsner auf Anfrage mitteilte.

„Zusätzlich wird an einigen Standorten die Dienstzeit erweitert, sodass beispielsweise Intensivtransporter aus einem Tagdienstmodell in ein 24-Stunden-Modell erweitert werden“, schreibt Gräsner in einer Mail. Die Intensivtransporter sollen in manchen Regionen Deutschlands also Tag und Nacht im Einsatz sein, um bei Bedarf auch genug Covid-19-Patienten aus überlasteten Kliniken verlegen zu können.

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Wenn mehrere Patienten gleichzeitig von einem Klinik aus transportiert würden, müssten in jedem Fall auch mehrere Intensivtransporter einsatzbereit sein. Das ist laut Gräsner erst recht schwierig, wenn Covid-19-Patienten aus dem Ausland nach Deutschland verlegt würden, die auch an andere Geräte angeschlossen sind als hierzulande üblich.

Ein Arzt untersucht in Schutzkleidung einen Corona-Patienten auf der Intensivstation im bayerischen Gauting.
Ein Arzt untersucht in Schutzkleidung einen Corona-Patienten auf der Intensivstation im bayerischen Gauting.

© Peter Kneffel/dpa

Ein Blick auf aktuelle Zahlen des DIVI-Intensivregisters zeigt, dass die Intensivstationen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich stark mit Covid-19-Patienten belegt sind. In Sachsen, wo die Infektionszahlen am höchsten sind, liegt mittlerweile auf mehr als jedem dritten Intensivbett ein Covid-19-Patient.

Corona-Hotspot Sachsen hat nur einen Intensivtransporter

Doch für ganz Sachsen gibt es gerade mal einen einzigen Intensivtransporter, wie Zahlen des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin zeigen. Zusammen mit Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen bildet Sachsen eines der fünf deutschen Regionen in der Kleeblatt-Strategie.

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Für Aufregung sorgte eine Meldung, nach der im sächsischen Klinikum Oberlausitzer Bergland in Zittau Corona-Patienten nicht mehr ausreichend behandelt werden konnten – und das Klinikum „an die Grenzen des Leistbaren“ gestoßen sei.

„Wir waren in den vergangenen Tagen schon mehrere Male in der Situation, dass wir entscheiden mussten, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht“, sagte der Ärztliche Direktor des Klinikums Mathias Mengel dem Nachrichtenportal „t-online“.

Koordinator für Verlegung von Covid-19-Patienten wiegelt ab

Angesichts dieser Meldung ist fraglich, ob die Verlegung von Covid-19-Patienten in Sachsen tatsächlich so funktioniert wie durch die Kleeblatt-Strategie erhofft.

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Christian Kleber, Oberarzt am Dresdner Universitätsklinikum, verantwortet die Verteilung von Covid-19-Patienten in Sachsen und sagte am Mittwoch: „Ich möchte mit Nachdruck deutlich machen, dass es aktuell noch freie Intensivbetten in Sachsen gibt und Patienten über die Krankenhausleitstellen dementsprechend verteilt werden.“

Es seien bisher alle Patienten erfolgreich an ein Intensivbett durch die Krankenhausleitstellen zugewiesen worden. Sehr viel weniger angespannt scheint die Lage in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern: Hier liegt nicht einmal auf jedem zehnten Intensivbett in den Kliniken ein Covid-19-Patient.

Ob die Kleeblatt-Strategie mit der Verlegung von Covid-19-Patienten in weniger betroffene Kliniken aufgehen kann, muss sich noch zeigen – und wird auch davon abhängen, dass genug Intensivtransporter und Einsatzkräfte da sind.

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