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Lech Walesa – hier im August – fehlen die Einnahmen durch Vorträge.

© Imago Images/Eastnews/Wojciech Strozyk

„Nun stehe ich da mit leeren Taschen“: Polens Ex-Präsident Lech Walesa ist wegen Corona pleite

Lech Walesa, Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident, ist einer der berühmtesten Polen. Die Pandemie hat nun auch für ihn schwere Folgen.

Sein Kampf gegen den Kommunismus machte Lech Walesa weltbekannt, er ist das Gesicht des Streiks 1980 auf der Danziger Leninwerft, der die Wende in Polen einleitete. Heute ist Walesa (77), Friedensnobelpreisträger und polnischer Ex-Präsident, nach eigenen Angaben pleite. „In diesem Jahr bekommt keiner von mir Geschenke, denn ich bin bankrott“, sagte Walesa zu Weihnachten dem polnischen Fernsehsender Polsatnews, wie die Nachrichtenagentur dpa am Freitag berichtete.

In der Vergangenheit sei er viel gereist und habe mit Vorträgen Geld verdient, aber das sei nun vorbei, sagte Walesa mit Blick auf die Corona-Pandemie. „Es gab Zeiten, da hatte ich Geld, dann habe ich es ausgegeben. Nun stehe ich da mit leeren Taschen.“

Der gelernte Elektriker war von 1980 bis 1990 Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarnosc und als Arbeiterführer maßgeblich an der Überwindung des kommunistischen Regimes in Polen beteiligt. Von 1990 bis 1995 war er Präsident seines Landes.

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„Vielleicht haben sie einen Job für mich?“

Bereits im Juni hatte Walesa gesagt, dass es ihm finanziell nicht gut gehe. Wie die Deutsche Welle (DW) online berichtete, sagte Walesa in einem Interview mit dem Boulevard-Blatt „Fakt“ auf die Frage, wie es ihm in der Pandemie gehe: „Ich vermisse meine Reisen, weil sie mir geholfen haben, mein täglich Brot zu finanzieren.“

Auf die Frage, ob es an Geld fehle, sagte er: „Ich hatte viele lukrative Verträge, heute muss ich ohne sie auskommen, deswegen denke ich über irgendeine Arbeit nach. Vielleicht haben sie einen Job für mich?“

Auf die Gegenfrage, was er sich denn vorstellen könne, antwortet der Nobelpreisträger: „Ich hatte in meinem Leben verschiedene Jobs. Ich war Elektriker, Mechaniker, Gewerkschafter und Präsident. Ich verfüge also über ein breites Spektrum an Möglichkeiten“. Dieses Spektrum reiche „vom Traktor bis zum Internet“.

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Walesa sagte dem Bericht zufolge, dass er normalerweise mehr als eine Million Zloty (rund 232.000 Euro) im Jahr hinzuverdiene, etwa durch Vorträge – die meisten dürften aber 2020 wegen Corona ausgefallen sein. „Ich leide an einem chronischen Mangel an finanziellen Mitteln“, sagte Polens Ex-Staatsoberhaupt.

Lech Walesa (Mitte) bei der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Solidarnosc und Regierung am 24. September 1980.
Lech Walesa (Mitte) bei der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Solidarnosc und Regierung am 24. September 1980.

© Imago Images/Forum

Wie die DW weiter berichtete, beträgt die Rente eines Präsidenten in Polen 75 Prozent des ursprünglichen Gehalts. Netto blieben Walesa oder Amtsnachfolger Aleksander Kwasniewski (1995-2005) also etwa 1500 Euro. „Das reicht nicht für meine Ausgaben und schon gar nicht für die meiner Frau“, sagte Walesa. Also müsse er sich bewegen, auch wenn Reisen in seinem Alter anstrengend sei. Er habe keine Wahl: „Ich kann doch nicht betteln gehen.“

Er sei nicht auf Online-Konferenzen spezialisiert, sagt Walesa

Vor der Corona-Krise war Walesa viel unterwegs. In sozialen Netzwerken postete er Fotos mit Stewardessen, meldete sich aus der ganzen Welt. „Ich war auf zahlreiche Treffen vorbereitet, direkte Begegnungen". Darauf, nicht auf Online-Konferenzen, sei er spezialisiert.

Ex-Präsident Kwasniewski erinnerte sich im DW-Gespräch, dass Walesa bereits Arbeit suchte, kaum dass er aus dem Amt geschieden war. „Er sagte, dass er kein Geld zum Leben hätte. In der Tat haben ehemalige Präsidenten damals gar nichts bekommen“, so Kwasniewski. Auch mit den heutigen geringen Bezügen über die Runden zu kommen sei schwer: „Uns allen haben Einladungen zu Vorträgen, Konferenzen oder auch Beratungsmöglichkeiten sehr geholfen. Aber nicht nur uns ergeht es jetzt schlechter. Andere sind auch in einer schwierigen Lage. Es gilt also, die Zähne zusammen zu beißen und zu hoffen, dass diese Pandemie irgendwann vorbei geht.“

Zusammenarbeit mit Geheimdienst belastet Lebenslauf Walesas

Die Vita Walesas ist beeindruckend, doch hatte sie 2016 Schatten bekommen. Damals tauchten Dokumente auf, die offenbar belegen, dass Walesa Spitzel des Geheimdienstes war. Nach Angaben von Lukasz Kaminski, Leiter des Institut des Nationalen Gedenkens (IPN), war im Privatarchiv des früheren Innenministers General Czeslaw Kiszczak eine Geheimdienstverpflichtung mit der Unterschrift Walesas gefunden worden. Der Archivar der Behörde, die mit staatsanwaltschaftlichen Vollmachten für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit zuständig ist, habe bestätigt, dass es sich um ein authentisches Dokument handele.

Walesa selbst widersprach den seit Jahren kursierenden Spekulationen, er sei unter dem Tarnnamen „Bolek“ ein Agent des Sicherheitsapparates gewesen. Es handele sich um eine Fälschung. Am 31. Januar 2017 wurde ein graphologisches Gutachten des IPN veröffentlicht. Darin hieß es, dass es sich bei Bolek tatsächlich um Walesa gehandelt habe. Historiker gehen jedoch davon, dass Walesa der Zusammenarbeit unter Zwang zugestimmt hatte, um einer Verhaftung und weiteren Repressalien zu entgehen.

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