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Eine Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke ist hochumstritten.

© Mia Bucher/dpa

Nukleare Renaissance aus Energiemangel?: Das schwarz-gelbe Trommeln für die Atomkraft ist absurd

Die Hälfte der französischen AKWs hat Probleme und steht still. Schon das macht das Werben von FDP und CSU für die Atomkraft lächerlich. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Physikalische Prozesse verlaufen unerbittlich, bar jeder politischen Rücksicht. Diese Erfahrung machen derzeit mal wieder die Apologeten der Atomkraft, allen voran Emmanuel Macron und seine deutschen Adepten Christian Lindner und Markus Söder.

Da haben sie doch gerade erst das EU-Parlament dahin manipuliert, Investitionen in Atomkraftwerke ein grünes Label zu verleihen, um Anlegern die zugehörigen Wertpapiere schmackhaft zu machen. Da versprach der französische Präsident, er werde „das große Abenteuer der nuklearen Energie in Frankreich fortschreiben“ und 14 neue Reaktoren bauen lassen.

Und da versuchen der deutsche Finanzminister und der verhinderte bayerische Mitregent ihren schwindenden Zuspruch mit der Forderung aufzupeppen, die drei letzten deutschen Atommeiler länger laufen zu lassen.

Und nun das: Mangels Regen führt die Rhone nicht mehr genug Wasser, um die vielen AKWs an ihren Ufern zu kühlen. Zugleich leiden die Notkühlsysteme bei zwölf der 56 französischen Reaktoren an „Spannungsrisskorrosion”.

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Und zu allem Überfluss ziehen sich die Sicherheitsprüfungen an den übrigen Anlagen immer länger hin, weil die Mängel zahlreich sind und das Personal knapp. Darum steht mehr als die Hälfte aller Reaktoren still und die Franzosen müssen bis zu 100 Milliarden Kilowattstunden täglich in den Nachbarländern einkaufen. Das aber treibt die Preise an der Strombörse. Diese Unsicherheit der französischen Atommeiler belastet die europäische Stromversorgung mehr noch als der Rückgang der Gasimporte aus Russland.

Überkomplexe und teure Technologie

So zerschellt die Rhetorik von der Rettung durch Atomkraft an der physischen Realität. Und das ist keineswegs Zufall. Tatsächlich ist die Stromgewinnung aus der Spaltung von Uranatomen inhärent dysfunktional.

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Die extreme Energiedichte und die Radioaktivität überlasten das Material und erzwingen ebenso extreme Sicherheitsanforderungen. Das macht die Technologie überkomplex und teuer, so teuer, dass der französische Stromkonzern EDF jetzt wegen Überschuldung rückverstaatlicht werden muss.

Das Einstellen der Gaslieferungen an Europa ist das schwerste Geschütz, das Putin gegenüber dem Westen zur Verfügung steht. Das er es freiwillig aus der Hand gibt, indem Russland weiterhin jede gewünschte Menge an Gas nach Europa liefert, ist eher unwahrscheinlich. 

schreibt NutzerIn Byrne

Die französischen Atomindustrie hatte in den vergangenen 15 Jahren gerade mal drei Aufträge für neue Reaktoren bekommen. Bei allen dreien verzögerte sich der Bau um viele Jahre und die Kosten stiegen um mehr als das Dreifache. Für die Anlage im englischen Hinkley Point, die auch nach acht Jahren Bauzeit noch nicht fertig ist, musste die Regierung den Betreibern darum einen Abnahmepreis von 14,5 Eurocent pro Kilowattstunde garantieren. Derweil gibt es den Strom aus britischen Offshore-Windkraftwerken bereits für sechs Cent.

Im finnischen Olkiluoto dauerte es zehn Jahre und zehn Milliarden Euro bis zur ersten Kilowattstunde. Doch bald darauf ging die Anlage wegen technischer Probleme schon wieder vom Netz.

Angesichts dieser Fiaskos mutet das Trommeln der schwarz-gelben Allianz für Laufzeitverlängerung und die nukleare Renaissance lächerlich an; nicht zuletzt weil für die drei verbliebenen AKWs die notwendige Sicherheitsprüfung nur mit Blick auf die anstehende Stilllegung ausgesetzt wurde. Würden sie weiterlaufen, stellt sich sofort eine weitere Frage: Wer wird für die möglichen Risiken haften? Der Freistaat Bayern und die FDP könnten ja ein gemeinsames Angebot vorlegen.

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