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Friedrich Merz (CDU) bei der Haushaltsdebatte im Bundestag.

© Tobias Schwarz/AFP

„Nukleare Kapazität ist unsere Lebensversicherung“: CDU-Chef Merz – Europa muss Atommacht werden

Deutschland müsse Macrons Angebot unterstützen, die nuklearen Kapazitäten Europas zu stärken, sagt Merz. So könne man europäische Interessen schützen.

Manchmal gehen im Grunde Aufsehen erregende Nachrichten ja doch noch unter, ungeachtet aller sozialen Netzwerke. Wie die folgenden Worte von Unionsfraktionschef Friedrich Merz beim traditionellen Arthur-F.-Burns-Dinner der Internationalen Journalistenprogramme, dass angesichts der Weltlage eine gemeinsame europäische „nukleare Kapazität unsere Lebensversicherung“ sei. Es dürfe da „keine Tabus mehr“ geben.

Der Christdemokrat, auch Chef seiner Partei, kam hier zurück auf ein wiederholtes Angebot Frankreichs an die übrigen Länder der Europäischen Union, einen Dialog über nukleare Abschreckung zu beginnen.

Der Staatssekretär für europäische Angelegenheiten Clément Beaune, ein enger Berater von Präsident Emmanuel Macron, hatte neulich erst in Berlin erklärt: „Dieser Vorschlag Präsident Macrons ist immer noch auf dem Tisch“ und hinzugefügt, „wir glauben, die französische nukleare Abschreckung ist ein Weg, europäische Interessen zu schützen“.

In der CDU regt sich Skepsis

Die Debatte darüber – die Macron erfolglos im Jahr 2020 angestoßen hatte – müsse „immer noch geführt“ werden. Seinerzeit war Macron von der damaligen Verteidigungsministerin und CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer widersprochen worden. Auch jetzt regt sich Widerspruch, zumindest Skepsis. Sicherheitsexperten auch in der CDU verweisen darauf, dass der 2+4-Vertrag zur Regelung der deutschen Einheit ausdrücklich Besitz, Herstellung und Verfügung über ABC-Waffen ausschließe. Außerdem würde die Beteiligung an einer nuklearen Kapazität noch mehr Geld für die Verteidigung erfordern als zwei Prozent vom BIP jährlich.

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Kramp-Karrenbauer hatte in ihrer Amtszeit allerdings auch ein gemeinsames Flugzeugträger-Projekt mit Frankreich angeregt. Das könnte, wenn europäisch gewollt, um eine gemeinsame atomare Option erweitert werden. Offenkundig will Merz die Überlegungen jetzt in diese Richtung lenken, zumal vor dem Hintergrund, dass der Ausgang der nächsten Wahl in den USA nicht zwangsläufig eine Stärkung der transatlantischen Kräfte bedeuten wird. Das hat mit den Entwicklungen in den USA tun: Der frühere Präsident Donald Trump, der sich eine erneute Kandidatur offenhält, steht bekanntermaßen für einen kritischen Kurs gegenüber dem Nordatlantikpakt. Auch sieht er sicherheitspolitische Verpflichtungen gegenüber Europa sehr viel kritischer als Amtsinhaber Joe Biden.

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Merz wiederum ist ein Fachmann für Transatlantisches. Er war zehn Jahre Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“ und hat lange für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet, BlackRock Inc. Dabei handelt es sich um eine international tätige US- Investmentgesellschaft. Ihr Sitz ist New York. Mit über zehn Billionen Dollar an verwaltetem Vermögen ist BlackRock die weltgrößte Firma in diesem Markt.

US-Präsidentschaftswahlen 2024 – die große Ungewissheit

Der CDU-Chef erläuterte seine Vorstellung von einem „europäischen nuklearen Schutzschirm“ entsprechend mit der Analyse: „Niemand von uns weiß, wie die US-Präsidentschaftswahlen 2024 ausgehen und ob Schutzversprechen dann noch fortgelten. Eine nukleare Kapazität ist unsere Lebensversicherung, auf die wir nicht verzichten können.“ Deutschland habe Macrons Angebot in dessen erster Amtszeit ignoriert: „Im Lichte des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist es nun Zeit, diesen Strang endlich ernsthaft aufzunehmen und auch zu einem Ergebnis zu führen.“

Darüber hinaus warb Merz dringend dafür, „dass wir unseren nationalen Parlamentsvorbehalt bei multinationalen Einsätzen reformieren“. Wer eine integrierte europäische Einsatztruppe wolle, die nicht nur eine politische Geste, „sondern eine echte militärische Ressource“ sei, müsse dafür national die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Ein weiteres Thema, das noch Aufsehen erregen wird, spätestens dann, wenn es die Initiative als Antrag in den Bundestag geschafft hat.

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