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Beate Zschäpe (2.v.re.) mit ihren Anwälten Anja Sturm (li.), Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer.

© Peter Kneffel/dpa

NSU-Prozess: Konflikt um alte und neue Zschäpe-Verteidiger eskaliert erneut

Beim NSU-Prozess wird wieder einmal das zerrüttete Verhältnis der Verteidiger Heer, Stahl und Sturm zu Beate Zschäpe deutlich. Auch um eine Mordwaffe gibt es neuen Streit.

Von Frank Jansen

Sie sind es wieder einmal leid. Die drei Alt-Anwälte von Beate Zschäpe haben am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München erneut beantragt, sie von ihrem Mandat als Pflichtverteidiger zu entbinden. Damit gerät die Hauptverhandlung kurz vor dem geplanten Beginn der Plädoyers der Verteidiger der fünf Angeklagten nochmal in Turbulenzen. Bislang ist vorgesehen, dass die beiden neuen Verteidiger der Hauptangeklagten am 13. März mit ihrem Schlussvortrag beginnen sollen.

Die Alt-Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ärgert, dass der Vorsitzende Richter Manfred Götzl in der vergangenen Woche alle drei Verhandlungstage abgesetzt hatte, weil die beiden neuen Verteidiger verhindert gewesen sein sollen. Mathias Grasel hatte sich für den 20. Februar krank gemeldet, allerdings nicht für die zwei folgenden Tage. Sein Kollege Hermann Borchert war zudem wegen eines Termins in Düsseldorf. Die Alt-Verteidiger erfuhren auch erst am Morgen des 20. Februar von Grasels Erkrankung. Heer und ein Vertreter für Anwältin Sturm waren bereits nach München gereist.

"Zschäpe hinreichend vertreten"

Götzls Verfügung zeigt nun aus Sicht der drei Alt-Verteidiger, dass es auf sie gar nicht mehr ankommt. „Frau Zschäpe ist alleine durch Rechtsanwalt Grasel hinreichend vertreten“, trug Wolfgang Heer vor. Götzl habe sich bei seiner Entscheidung, die Prozesstage abzusetzen, auf Grasel und „sogar auf Rechtsanwalt Borchert, der nur sporadisch an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte“, fokussiert. Den beiden Anwälten komme nach Auffassung des Vorsitzenden Richters „für die Verteidigung von Frau Zschäpe die ausschlaggebende Bedeutung zu“, verlas Heer.

Verteidiger Grasel machte zusätzlich Druck. Er verkündete, Zschäpe schließe sich dem Antrag der drei Verteidiger auf Widerruf ihrer Bestellung an. Nun eskaliert der seit 2015 schwelende Konflikt zwischen den alten und den neuen Verteidigern Zschäpes wieder. Die Hauptangeklagte hatte sich im Sommer 2015 endgültig mit Heer, Stahl und Sturm überworfen. Im Juli 2015 stieg dann Grasel als vierter Pflichtverteidiger in das Verfahren ein. Borchert berät Zschäpe schon seit 2014 und ist inzwischen als Wahlverteidiger im Prozess, aber selten anwesend. Mit Heer, Stahl und Sturm redet Zschäpe seit dem Juli 2015 kein Wort mehr.

Mehrmals Entpflichtung beantragt

Die frustrierten Alt-Verteidiger haben schon mehrmals ihre Entpflichtung beantragt, Grasel hat dieselbe Forderung am Dienstag auch nicht das erste Mal gestellt. Die Richter lehnten bislang jedoch alle Anträge ab, um den Prozess nicht zu gefährden. Auch jetzt ist kaum vorstellbar, dass der Strafsenat Heer, Stahl und Sturm aus dem Verfahren entlässt. Bundesanwalt Herbert Diemer betonte in einer Stellungnahme mit Blick auf die bevorstehenden Verteidiger-Plädoyers, gerade jetzt sei es notwendig, dass die drei Alt-Anwälte Zschäpes im Verfahren blieben. Nur Heer, Stahl und Sturm hätten bislang die komplette Hauptverhandlung erlebt, nicht Grasel und Borchert.

Es ist allerdings nicht nur der Konflikt um die Verteidiger Zschäpes, der den Prozess belastet. Die Anwälte des Angeklagten Ralf Wohlleben versuchten am Dienstag wieder, den von der Bundesanwaltschaft beschriebenen und in der Beweisaufnahme weitgehend schlüssig erschienenen Weg der Mordwaffe Ceska 83 in Frage zu stellen. Verteidiger Olaf Klemke verlas einen Antrag, Sven R. als Zeugen vernehmen zu lassen. Der Thüringer Rechtsextremist würde laut Klemke bekunden, Uwe Böhnhardt habe ihn im Juni oder Juli 2000 bei einem Telefonat gefragt, ob er ihm eine scharfe Schusswaffe besorgen könne.

Befangenheitsantrag gegen den Strafsenat

Mit dem Antrag wollen Wohllebens Verteidiger noch einmal Sven R. als mutmaßlichen Waffenlieferanten des NSU präsentieren. Die Bundesanwaltschaft nennt hingegen in der Anklage Ralf Wohlleben und den Mitangeklagten Carsten S. als Beschaffer der Ceska 83, mit der Böhnhardt und Mundlos neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Carsten S. hat auch gestanden, die Pistole den beiden Terroristen gebracht zu haben. Der Angeklagte belastete zudem Wohlleben. Dessen Anwälte hatten bereits im Januar mit einem Beweisantrag Sven R. in den Vordergrund geschoben. Mit dem Manöver verzögerten die Verteidiger den Fortgang der damals anhängigen Plädoyers der Opferanwälte. Die Richter wiesen den Beweisantrag ab. Prompt stellten Wohllebens Anwälte einen Befangenheitsantrag gegen den Strafsenat. So ähnlich könnte es auch diesmal kommen, zumal die Verteidiger am Dienstag auch eine „Gegenvorstellung“ zu einem Beschluss der Richter erhoben.

Prozesstag endet mit Eklat

Götzl hatte am Morgen verkündet, das Verfahren zur Einziehung der „Taterträge“ des NSU, also der bei den Raubüberfällen erbeuteten Gelder, werde abgetrennt. Die Richter wollen vermeiden, dass langwierig potenzielle Erben von Mundlos und Böhnhardt ermittelt werden müssten, um sie am Verfahren zu beteiligen. Wohllebens Verteidiger monierten nun, der Beschluss nenne nur die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben, Holger G. und André E., aber nicht Carsten S. Es dränge sich der Schluss auf, der Senat ziehe eine Einziehung bei Carsten S. gar nicht erst in Betracht, trug Anwalt Wolfram Nahrath vor.

Tatsächlich bleibt offen, warum die Richter Carsten S., der im Prozess als einziger Angeklagter ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, in dem Beschluss nicht erwähnen. Der Prozesstag endete dann noch mit einem Eklat: mehrere Neonazis, die als Zuschauer zum Prozess gekommen waren, riefen von der Tribüne zu Wohlleben hinunter „Alles Gute zum Geburtstag“. Der Angeklagte wurde am Dienstag 43 Jahre alt. Seine Ehefrau saß während der Verhandlung neben ihm, die beiden hielten Händchen.

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