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Welche Strafe wartet auf Beate Zschäpe?

© picture alliance / dpa

NSU-Prozess: Die Unzulänglichkeit von Gesamtstrafen

Für zehn Morde gibt es keine höhere Strafe als für einen. Das nennt sich „Gesamtstrafe“. Was heißt das für die zehn Toten? Sind sie die "Gesamtopfer"? Ein Zwischenruf

Ein Zwischenruf von Barbara John

Es gibt keine Ex-Opfer, sondern nur Ex-Täter. Eine Binsenwahrheit, über die sich nur wenige Gedanken machen. Aber die Angehörigen der Mordopfer des NSU und die Verletzten der Kölner Keupstraße wissen genau, dass Mörder in Deutschland nach dem Gesetz zwar zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt, doch nach 15 oder 20 Jahren (bei besonderer Schwere der Tat) in der Regel auf Bewährung freikommen. Darauf haben sie einen Rechtsanspruch. Das Leben geht dann für sie weiter, als sei alles wieder gut. Die Familien wissen auch, dass bei zehn Mordopfern das Strafmaß nicht höher ausfällt als bei einem Mord. Das nennt sich „Gesamtstrafe“. So, als handele es sich bei den zehn Ermordeten um eine Art „Gesamtopfer“ aus zehn ausgelöschten Leben. Diese rechtspolitischen Zumutungen werden die hinterbliebenen Familien verkraften müssen, wenn in Kürze die Bundesanwaltschaft nach mehr als vier Jahren akribischer Beweisaufnahme das Strafmaß für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe fordert.

Den Opfern und den Angehörigen bleiben die Fragen

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es die „lebenslange Haftstrafe“ sein. Das spätere Urteil wird sich daran orientieren. Beate Zschäpe gilt als „Mittäterin“ bei zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen mit mehr als 20 Verletzten. Doch die zeitlich begrenzte Haft endet eines Tages. Die Opfer dagegen haben weiter mit den Tatfolgen zu kämpfen, körperlich, seelisch, wirtschaftlich. Sie werden bisher unbeantwortete Fragen wiederholen wie: Warum musste unser Vater, meine Tochter, mein Ehemann sterben? Warum wurde nicht nach weiteren Helfern gesucht? Warum ließen die Sicherheitsbehörden und die Politik zu, dass nur in Richtung „Organisierte Ausländerkriminalität“ ermittelt wurde? Wann gibt es bei der Polizei unabhängige Beschwerdestellen? Für viele Familien wird es eine „lebenslängliche“ Auseinandersetzung mit diesen Fragen geben, bis in die Enkelgeneration.

Was jetzt nottut, ist, dass Staat und Gesellschaft, auf deren Schutz die Opfer vergeblich vertrauten, ihnen zugewandt bleiben und sie dauerhaft unterstützen, wie auch Opfer anderer terroristischer Gewalttaten.

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